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Fortsetzung Sonntag, der 10. Juli 2022
 
Besonders seit Ende voriger Woche ist die Zahl der Behauptungen, nun hätten es abermals „Neonazis“ und „Faschisten“ auf die „Volksrepubliken“ abgesehen, drastisch gestiegen. Kiew wies die Darstellung zurück, zuletzt durch Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer dramatischen Ansprache. Seit Langem ermitteln Russlands Strafverfolger wegen angeblicher ukrainischer Verbrechen, vorige Woche wurde neue Ermittlungsverfahren eröffnet. Eine Sprecherin nannte am Donnerstagmorgen zum Beginn der Invasion einzelne ukrainische Soldaten mit Namen, auch Russen, die in der Ukraine Unterschlupf gefunden hätten. Das ist auch ein Alarmsignal für zahlreiche Kremlgegner, die vor Putins Repression in die Ukraine geflohen sind.
Zudem steht den Ukrainern das Beispiel der „Volksrepubliken“ und der Krim vor Augen, wo Gegner der Landnahme respektive der Annexion seit 2014 brutal verfolgt werden. Laut Betroffenen und Anwälten werden auf der Halbinsel insbesondere Angehörige der Minderheit der Krimtataren unter Folter zu Geständnissen gepresst und dort oder in Russland zu langen Haftstrafen verurteilt. In den vergangenen Wochen hatten sich die Festnahmen gehäuft, mehrere Prozesse sind anhängig. Einen amerikanischen Bericht, Russland habe „Todeslisten“ für den Fall einer Invasion der Ukraine, hatte der Kreml jüngst zurückgewiesen.
Vermutlich, um die Russen von einem schnellen Sieg zu überzeugen, sagte Putin, man habe 2014 die Krim-Bewohner „unterstützt“ und 2015 in Syrien einen „zuverlässigen Schirm“ gegen Terroristen errichtet, die aus dem Land nach Russland hätten vordringen können. Jetzt habe man keine andere Möglichkeit, um „Russland zu schützen, unsere Leute, außer der, die wir heute gezwungen sind zu nutzen.“ Russlands Kraft liege in „Gerechtigkeit und Wahrheit“, sagte Putin. „Stärke und die Bereitschaft zum Kampf sind die Grundlage der Unabhängigkeit und Souveränität, sind das notwendige Fundament, auf dem allein man seine Zukunft bauen kann, sein Haus bauen, seine Familie, seine Heimat.“
Russlands Präsident begründete die Entscheidung für die „Spezialoperation“ mit „Hilfsersuchen“, welche die „Volksrepubliken“ noch am Mittwochabend an ihn gestellt hatten. Er berief sich auf die UN-Charta, nämlich deren Passus über das „Recht zur Selbstverteidigung“, auf die neuen „Freundschafts-, Zusammenarbeits- und Hilfsabkommen“ Russlands mit den „Volksrepubliken“ sowie auf sein Oberhaus, das ihn am Dienstagabend zum Militäreinsatz ermächtigt hatte. Am Mittwoch hatte es aus der Donezker „Volksrepublik“ noch geheißen, es seien keine russischen Soldaten dort, man werde sie zu Hilfe rufen, wenn eine „Aggression der Ukraine“ weitergehe. Am Donnerstagmorgen war die „eigene“ Offensive „in vollem Gang“, wie das Donezker „Oberhaupt“, Denis Puschilin, im russischen Staatsfernsehen sagte.
Putin sagte in seiner Ansprache, „die heutigen Ereignisse hängen nicht zusammen mit dem Wunsch, die Interessen der Ukraine und des ukrainischen Volkes zu schmälern.“ Es gehe um den Schutz Russlands „vor denen, die die Ukraine als Geisel genommen haben und versucht, sie gegen unser Land und sein Volk zu benutzen“ Putin hat den Vereinigten Staaten mehrfach vorgehalten, die Ukraine als „Werkzeug“ gegen Russland zu benutzen. Putin warf „führenden NATO-Staaten“ vor, „für ihre eigenen Ziele extreme Nationalisten und Neonazis in der Ukraine in allem zu unterstützen“.
Die ukrainischen Soldaten, die Putin als „Kameraden“ bezeichnete, rief er auf, „verbrecherische Befehle“ nicht zu befolgen und den Eid, den sie einer „antivölkischen Junta“ geleistet hätten, nicht zu erfüllen. „Ich rufe euch auf, unverzüglich die Waffen niederzulegen und nach Hause zu gehen. Ich erkläre: Alle Soldaten der ukrainischen Armee, die diese Forderung erfüllen, werden ungehindert das Kampfgebiet verlassen und zu ihren Familien zurückkehren können.“ Alle Verantwortung für „mögliches Blutvergießen liege „ganz und gar auf dem Gewissen des auf dem Gebiet der Ukraine herrschenden Regimes“. Mit diesen Worten hatte Putin am Montag seine Ansprache zur Anerkennung der „Volksrepubliken“ beschlossen.
Wer an Mahnwachen teilgenommen hat, wurde festgenommen
Putin hatte in den vergangenen Jahren mit zunehmender Wut Versuche Kiews dargestellt, den russischen Einfluss im Land zurückzufahren, zuletzt etwa mit Schließungen prorussischer Fernsehsender und einem juristischen Vorgehen gegen Putins Weggefährten Viktor Medwedtschuk. Jetzt sagte Putin, er sei überzeugt davon, dass die Russland „ergebenen Soldaten und Offiziere ihre Pflicht mutig erfüllen werden“ und die Exekutive effektiv arbeiten werde. Er, Putin, zähle auf „die konsolidierte, patriotische Position aller parlamentarischen Parteien und gesellschaftlichen Kräfte“. In den vergangenen Tagen waren einige Moskauer, die Einzelmahnwachen gegen den drohenden Krieg gewagt hatten, rasch festgenommen worden. Die Umfrage eines kremlnahen Instituts hatte am Mittwoch Unterstützung für Putins Anerkennungsentscheidung ergeben.
Putin sagte nun zur Erklärung seiner Entscheidung, früher oder später würden nationalistische Kräfte einen „Krieg gegen die Krim“ beginnen. „Das ist nur eine Frage der Zeit. Sie bereiten sich vor, warten auf die passende Stunde. Jetzt wollen sie auch noch Nuklearwaffen bekommen“, sagte Putin. Selenskyj hatte vor Kurzem daran erinnert, dass die Ukraine freiwillig die auf ihrem Gebiet gelagerten sowjetischen Nuklearwaffen an Russland abgegeben und dafür von dem Nachbarland, den Vereinigten Staaten und Großbritannien 1994 im Budapester Memorandum Souveränitätsgarantien erhalten hatte.
Der ukrainische Präsident hatte Beratungen der Teilnehmerstaaten des Memorandums gefordert und gesagt, wenn daraus keine Sicherheitsgarantien erwüchsen, habe die Ukraine jedes Recht, die Entscheidungen in Zweifel zu ziehen. Daraus hat Russland in den vergangenen Tagen das Szenario einer ukrainischen Nuklearmacht entworfen, Verteidigungsminister Sergej Schojgu behauptete am Montag in der Sicherheitsratssitzung, die Ukraine habe genug Spezialisten, um Nuklearwaffen zu entwickeln, oder könne welche erhalten, die die Vereinigten Staaten derzeit in Deutschland lagern. Auch Putin hatte dieses Szenario in seiner Rede vom Montag zur Begründung der Anerkennungen angesprochen. In der am Donnerstagmorgen veröffentlichten Ansprache sagte er, man werde den Ukrainern „nicht erlauben“, sich nuklear zu bewaffnen.
Für Putin geht es um das Ringen mit dem Westen
Putin stellte das Vorgehen gegen die Ukraine als Teil seines Ringens mit den Westen dar. Er sprach von „fundamentalen Bedrohungen“ gegen Russland, die der Westen „von Jahr zu Jahr und Schritt für Schritt grob und ungeniert“ schaffe. „Ich meine die Erweiterung des NATO-Blocks nach Osten, das Heranrücken seiner Militärinfrastruktur an russische Grenzen.“ Er bekräftigte, Russland sei versprochen worden, dass sich die NATO „nicht einen Zoll nach Osten“ ausdehnen werde. Das Zitat stammt aus dem Februar 1990 von dem damaligen amerikanischen Außenminister James Baker, der mit Michail Gorbatschow über eine deutsche Wiedervereinigung sprach. Mit „Osten“ war damals das Gebiet der DDR gemeint. Der Warschauer Pakt bestand noch und war nicht Gesprächsgegenstand, wie Gorbatschow, der 1990 noch hoffte, die Sowjetunion und den Pakt retten zu können, später hervorhob. Putin wiederholte aber, Russland sei „betrogen“ worden. Er berief sich auf „amerikanische Politiker, Politologen und Journalisten“, die darlegten, „in den USA ist in den vergangenen Jahren ein wahres ‚Imperium der Lüge‘ entstanden“. Dem müsse man beipflichten.
Russland hatte Mitte Dezember „Vertragsentwürfe“ vorgelegt mit Forderungen, die auf eine Rückkehr auf den Stand von 1997 vor den NATO-Erweiterungen hinauslaufen. Die Vereinigten Staaten und die NATO hatten Verhandlungen über Rüstungskontrolle angeboten, wollten aber nicht die Souveränität von Staaten zur Disposition stellen. Putin bezeichnete seinen Vorstoß als „abermaligen Versuch“, sich mit den Vereinigten Staaten und deren Verbündeten über die europäische Sicherheit und eine Nichterweiterung der NATO zu verständigen. „Alles umsonst“, sagte er. „Die Position der USA ändert sich nicht. Sie halten es nicht für nötig, sich mit Russland über diese unsere Schlüsselfrage zu verständigen, verfolgen ihre Ziele, missachten unsere Interessen.“
Putin klagte über Washington als „Hegemon“. Alles, was Letzterem nicht passe, werde für „archaisch, veraltet, nutzlos“ erklärt. Er zählte westliche Einsätze im Irak, in Libyen und Syrien auf und sagte, „wo die USA auch immer ihre Ordnung errichten wollen, bleiben blutige, nicht verheilende Wunden, Geschwüre des internationalen Terrorismus und Extremismus“. Neuerlich warf er auch „dem kollektiven Westen“ vor, in den Neunzigerjahren und zu Beginn des Jahrhunderts „auf aktivste Weise Separatismus und Banden von Söldnern im Süden Russlands unterstützt“ zu haben. Ein jüngster Staatsfernsehfilm dazu war Belege schuldig geblieben, ein Zeitzeuge nannte die Arbeit von westlichen Hilfsorganisationen im unter Putin begonnenen, zweiten Tschetschenien-Krieg. Putin drohte nun aber: „Wir erinnern uns daran und werden es nie vergessen.“
Der Präsident wies auf das Auseinanderfallen der Sowjetunion, dem er in den vergangenen Jahren immer mehr Aufmerksamkeit schenkte. Putin wirft der Führung um Gorbatschow schon lange vor, die Kontrolle verloren zu haben, nicht entschieden genug gegen die Ablösungsbestrebungen der Sowjetrepubliken vorgegangen zu sein und sich vom Westen betrügen haben zu lassen. Die gesamte Sowjetunion einschließlich der Ukraine hat Putin wiederholt als „historisches Russland“ bezeichnet; auch jetzt bezeichnete er an Russland grenzende Gebiete als „unsere historischen Territorien“.
Was am Ende der Sowjetunion geschehen sei, sagte Putin, sei eine „gute Lektion für uns heute“. Eine „Paralyse der Macht, des Willens, das ist der erste Schritt zur völligen Degradation und zur Vergessenheit. Damals mussten wir nur eine Zeit lang das Vertrauen in uns selbst verlieren, und das war’s, die Kräfteverteilung in der Welt wurde gestört.“
Putin zog auch Parallelen zur Zeit vor dem Überfall von NS-Deutschland auf die Sowjetunion. Damals, 1940 und zu Beginn 1941, habe die Sowjetunion „alles versucht, den Beginn des Krieges abzuwenden oder weniges hinauszuzögern“. Putin hat den Hitler-Stalin-Pakt zwischen NS-Deutschland und der Sowjetunion, der kurz vor dem deutschen Überfall auf Polen 1939 in Moskau geschlossen wurde und in dessen Folge Polen und weitere Länder aufgeteilt wurden, mehrfach als friedenssichernde Maßnahme dargestellt. Stalin ignorierte etliche Warnungen vor einem deutschen Angriff und war davon überrascht. Putin sagte nun aber, man habe damals, um den „potenziellen Aggressor nicht zu provozieren“, Vorbereitungen bewusst unterlassen, die nötig gewesen wären, um den unausweichlichen Angriff abzuwehren. Er erwähnte auch nicht, dass ein Großteil der Führung der Roten Armee kurz zuvor Stalins Großem Terror zum Opfer gefallen war. Russland bestraft seit einigen Jahren Leute, die Putins Darstellung des Geschehens Jahre 1939 bis 1941 in Zweifel ziehen.
Putin erinnert an den deutschen Überfall von 1941
Der Präsident berief sich für seine Entscheidung auf Lehren aus dem deutschen Überfall von 1941, wobei Amerika und die NATO in die Rolle von NS-Deutschland rücken. „Ein zweites Mal werden wir einen solchen Fehler nicht begehen, wir haben nicht das Recht dazu.“ Zwar verfügten, so Putin, „diejenigen, die die Weltherrschaft beanspruchen“ und „ohne jeden Grund uns, Russland, zu ihrem Feind erklären“, über „große finanzielle, wissenschaftlich-technologische und militärische Möglichkeiten“. Sanktionsdrohungen seien eine „gemeine und permanente Erpressung“. Doch sei man „eine der stärksten Nuklearmächte der Welt“, außerdem verfüge man über „bestimmte Vorteile bei einer Reihe neuer Waffentypen“. Für den Fall eines „direkten Angriffs auf unser Land“ kündigte Putin „Vernichtung und schreckliche Folgen für jeden potenziellen Aggressor“ an.
Erst am Wochenende hatte sich bei einem Manöver der strategischen Streitkräfte Russlands neuerlich gezeigt, dass Russland seine Nuklearstreitkräfte, zu denen seit Kurzem moderne Überschallraketen zählen, als Drohkulisse nutzt, um Gegner im Fall einer Auseinandersetzung mit konventionellen Waffen von einem Eingreifen abzuhalten. In diesem Sinne sagte Putin am Ende seiner Ansprache, alle die sich jetzt „einmischen“, oder versuchen wollten, „uns zu stören, oder Bedrohungen für unser Land, für unser Volk zu schaffen, müssen wissen, dass Russlands Antwort ohne Verzögerung kommt und für euch solche Folgen haben wird, wie ihr sie in eurer Geschichte noch nie erlebt habt. Wir sind bereit zu jeder Entwicklung der Dinge. Alle dafür nötigen Entscheidungen sind getroffen. Ich hoffe, dass ich gehört werde.“ Putin dürfte damit meinen, dass er seine Nuklearstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt hat. So hatte er es auch im Fall der Krim-Annexion gemacht, gab er später bekannt.
Putins Ansprache machte auch klar, warum er sich gerade jetzt zu einem militärischen Eingreifen entschließt. Russlands technologischer Vorsprung - gemeint war wohl der bei den Waffen - werde „rasch“ verschwinden, sagte er, „die Situation für unser Land wird mit jedem Jahr immer schlechter und gefährlicher“. Man könne „nicht länger einfach zusehen. Das wäre von unserer Seite absolut verantwortungslos.“ Was auf „unseren historischen Territorien“, in Russlands Nachbarländern, die früher zur Sowjetunion gehörten, geschehe, sei die Gründung eines „feindlichen ‚Antirusslands‘, das unter völlige äußere Kontrolle gestellt ist“. Es werde von NATO-Ländern mit Streitkräften versehen und „mit modernesten Waffen aufgepumpt“. Erst nach der Annexion der Krim waren Streitkräfte westlicher NATO-Mitglieder in die baltischen Staaten und nach Polen verlegt worden, auf Rotationsbasis, um die NATO-Russland-Grundakte von 1997 nicht zu verletzen; ihre Zahl überstieg nie die Zahl der russischen Soldaten, die allein in der russischen Exklave Kaliningrad stationiert sind.  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "taz.de"-Artikel von Tobias Schulze mit der Überschrift " Deutschlands Fehleinschätzung von Putin / Illusion und Scham" (Donnerstag, 24. Februar 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Wir lagen falsch. Weite Teile der politischen Linken in Deutschland hingen bis zuletzt einer Illusion an. Und nicht nur sie; im Grunde basierte auf diesem Wunschdenken auch das Regierungshandeln der letzten Jahre. Die Fehlannahme in Kurzform: Putin ist zwar ein Autokrat und sein Handeln nicht legitim, er lässt sich aber einhegen durch geduldige Gespräche, wirtschaftliche Verflechtungen und Zurückhaltung in der russischen Nachbarschaft. Die Nato-Osterweiterungen waren demnach entweder grundsätzlich ein Fehler oder durften zumindest nicht fortgeführt werden. Provoziert nicht den Kreml!
Die beschämende Erkenntnis: Das war nie der Punkt. Wladimir Putin demonstriert heute in der Ukraine einen Imperialismus ohne Skrupel. Als Reaktion auf eine gefühlte Einkreisung durch die Nato lässt sich das nicht mehr erklären. Eine europäische Sicherheitsarchitektur unter Einbeziehung Russlands hätte tatsächlich keine Sicherheit gebracht gegen eine russische Regierung, die die Einverleibung ehemaliger Sowjetstaaten anstrebt.
Balten, Polen, Ukrainer, wegen eines vermeintlich übertriebenen Sicherheitsbedürfnisses lange als paranoid belächelt, lagen dagegen richtig. Stand jetzt war Abschreckung erfolgreicher als Angebote. Die osteuropäischen Nato-Länder haben Frieden, die Ukraine hat Krieg.  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "faz.net"-Artikel von Maja Brankovic mit der Überschrift "Deutsche Unternehmen / Geschäfte mit Despoten" (Sonntag, 27. Februar 2022):
 Anfang Längeres Zitat  ... Eine Gewissheit hat der Angriff Wladimir Putins auf die Ukraine schon gebracht: Der bisherige deutsche Ansatz in der Außenhandelspolitik ist nicht mehr zu gebrauchen. Deutschland, die große Exportnation, trat mit dem Anspruch an, die Weltmärkte zu erobern und die Welt zugleich besser zu machen. Nicht nur Autos, Maschinen und Chemikalien wollte man exportieren, sondern auch die Prinzipien von Freiheit und Marktwirtschaft. Die eigenen Taschen wurden voller, während man auch den Handelspartnern zu mehr Wohlstand verhalf und sich damit brüsten konnte, den Autokraten nach und nach das Fundament ihrer Macht zu entziehen. Machen wir uns nichts vor, fragwürdig waren Geschäfte mit Despoten schon immer. Doch mit missionarischem Anspruch konnten Politiker und Unternehmer fast jeden Deal schönreden, die Geschäfte bekamen sogar noch eine moralische Berechtigung. So schön kann Kapitalismus sein.  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "faz.net"-Artikel von Joseph Croitoru mit der Überschrift "Die Ukraine und Israel / Vom jüdischen Staat lernen heißt Putin besiegen lernen" (Donnerstag, 03. März 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Bei seiner Vereidigung am 20. Mai 2019 nannte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Hinblick auf die Verteidigung seines Landes Israel als Vorbild. Diesem Statement, das in Tel Aviv und Jerusalem für Schlagzeilen sorgte, verlieh er wenige Monate später Nachdruck, als er in Kiew den damaligen israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu empfing: „Als Staat können wir viel von Israel lernen, insbesondere in Fragen der Sicherheit und Verteidigung. Und das werden wir definitiv tun.“ Selenksyj, der 1978 als Sohn jüdischer Eltern in der südukrainischen Industriestadt Kriwoi Rog geboren wurde, pflegt in seinen Ansprachen auch die historische Verbundenheit von Juden und Ukrainern zu beschwören – zuletzt im Dezember auf dem internationalen „Kiewer Jüdischen Forum“, das sich seit seiner Gründung 2019 für die Vertiefung der Beziehungen zwischen beiden Völkern einsetzt.
In Anwesenheit des israelischen Staatspräsidenten Yitzhak Herzog sowie mehrerer israelischer und ukrainischer Minister zog Selenskyj vor dem Hintergrund der russischen Truppenkonzentration an der ukrainischen Grenze Parallelen zwischen Ukrainern und Juden: „Wir wissen, wie es ist, keinen eigenen Staat zu haben. Wir wissen, was es bedeutet, den eigenen Staat und das eigene Land mit der Waffe in der Hand zu verteidigen, selbst um den Preis des eigenen Lebens. Ukrainer wie Juden schätzen die Freiheit, und sie arbeiten gleichermaßen daran, dass die Zukunft unserer Staaten nach unseren Vorstellungen gestaltet wird und nicht nach denen, die andere für uns wollen. Israel ist für die Ukraine oft ein Vorbild.“  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "faz.net"-Artikel von Alexander Armbruster mit der Überschrift "Krieg in der Ukraine / Die Globalisierung schützt nicht vor Wahnsinn" (Samstag, 05. März 2022):
 Anfang Längeres Zitat  ... Die Globalisierung ... schützt ... nicht vor Wahnsinn. Sie schützt nicht vor Mächtigen, die über Zigtausende Leichen gehen (können) oder jede Form konstruktiver Kooperation ablehnen. Diese Lektion haben hoffentlich nun auch jene verinnerlicht, die noch in der jüngeren Vergangenheit als zentrales Ziel deutscher Außen-, Innen-, Entwicklungs-, Finanz- und Wirtschaftspolitik im Grunde nur mehr Freihandel propagierten und glaubten, auch der niederträchtigste Despot müsse bloß die Verheißungen der internationalen Arbeitsteilung beigebracht bekommen, um sich in einen lupenreinen Demokraten zu verwandeln.  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "welt.de"-Artikel mit der Überschrift "Ukraine-Krieg / SPD-Chef Klingbeil gesteht Fehler in der Russland-Politik der vergangenen Jahre ein" (Freitag, 11. März 2022):
 Anfang Längeres Zitat  SPD-Chef Lars Klingbeil sieht den Russlandkurs seiner Partei rückblickend kritisch. »Wir haben gehofft, dass wir mit unserem Wertesystem, dem Völkerrecht und der Vernunft auf dem richtigen Weg sind“, sagte Klingbeil dem „Spiegel“. „Wir haben die Brutalität von Putin vielleicht verdrängt. Das war aus heutiger Sicht ein Fehler.“ Es sei richtig gewesen, auf Dialog und Ausgleich zu setzen, so der SPD-Vorsitzende.
„Aber Putin hat gelogen und betrogen, er wollte diesen Krieg. Wenn ich alles rekapituliere, den Georgienkrieg, die Krim-Annexion, die Auftragsmorde, dann muss ich aus heutiger Sicht sagen: Wir hätten die Entwicklung in Russland früher anders bewerten müssen.“
Klingbeil fordert, daraus Lehren für den Umgang mit anderen Autokraten zu ziehen. „Ich will nicht, dass wir in zehn Jahren mit China vor einer ähnlichen Situation stehen“, sagt Klingbeil. „Wir müssen die Abhängigkeit von autoritären Staaten drastisch reduzieren. Das sehen wir mit Blick auf unsere Energieversorgung bei Russland. Bei China können wir jetzt damit anfangen, in der Technik, im Medizinbereich“
... Klingbeil spricht sich auch für einen EU-Beitritt der Ukraine aus. „Es ist elementar wichtig, dass wir den Staaten, die zwischen uns und Russland liegen und die unsere demokratischen und freiheitlichen Werte teilen, Nähe und Sicherheit bieten“, sagte er. Angesichts des russischen Angriffskriegs müssten die Beitrittsperspektiven viel stärker behandelt werden. „Die Verhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien sollten zeitnah starten. Und auch die Ukraine sollte Teil der Europäischen Union werden“, sagt der SPD-Chef.  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "faz.net"-Artikel von Christian Meier mit der Überschrift "Rede vor der Knesset / Israel empört über Selenskyjs Holocaust-Vergleiche" (Montag, 21. März 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Wolodymyr Selenskyjs scharfe Kritik an Israel und seine historischen Vergleiche in einer Rede vor den Mitgliedern der Knesset haben in dem Land entschiedenen Widerspruch hervorgerufen. Der ukrainische Präsident hatte sich am Sonntagabend in einer live übertragenen Videoansprache an die Parlamentarier und die Regierung gewandt. Darin geißelte er Israel für seine Weigerung, der Ukraine Waffen wie etwa das Raketenabwehrsystem „Iron Dome“ zur Verfügung zu stellen, um sich gegen die russische Invasion zu wehren.
Auch dass Israel sich den Sanktionen gegen Russland bislang nicht angeschlossen habe und nur beschränkt ukrainische Flüchtlinge aufnehme, kritisierte er. Dies sei die Entscheidung des israelischen Volks, sagte Selenskyj, aber „ihr müsst dann mit eurer Antwort leben“.  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "taz.de"-Artikel von Erik Peter mit der Überschrift "CDU will Abriss von Thälmann-Denkmal / Betonköpfe in Pankow" (Mîttwoch, 23. März 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Es gilt dieser Tage als Zeichen besonderer Reflektiertheit, sich an ewig gestrigen Alt-Linken – ob aus der ehemaligen DDR oder der real existierenden Linkspartei – abzuarbeiten, die Russland aus alter sozialistischer Verbundenheit die Treue halten oder es bis vor vier Wochen noch taten. Dabei wird aber verkannt, dass die Denkrichtung dieser gesellschaftlich unbedeutenden Randgruppe eine weitaus breitere und also gefährlichere spiegelbildliche Entsprechung auf bürgerlicher Seite hat.
Gemeint sind all jene, die beim Wort Russland – oder noch schlimmer: Russe! – weiterhin die rote Gefahr des kommunistischen Feindes sehen. Diese antikommunistisch motivierten notorischen Russlandfeinde haben mit den Russlandfreunden gemein, dass sie mehr als 30 Jahre nach dem Ende der Sowjetunion noch immer nicht realisieren wollen, dass Russland längst ein kapitalistischer Staat ist, der mit kommunistischen Ideen rein gar nichts zu tun hat.  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "faz.net"-Artikel von Werner Mussler mit der Überschrift "Die EU und der Ukrainekrieg / Zeitenwende in der EU?" (Samstag, 02. April 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Charles Michel, der um große Worte nie verlegene Präsident des Europäischen Rats, hat nach dem EU-Sondergipfel vor drei Wochen in Versailles frohlockt, das Treffen im Schloss des Sonnenkönigs Ludwig XIV. werde „in die Annalen des Projekts Europa“ eingehen. Die EU könne nun in Reaktion auf Putins Krieg in der Ukraine „noch souveräner, noch unabhängiger und noch strategischer“ werden. So hohl diese Phrase ist, so sehr spiegelt sie eine Stimmung wider, die sich nach dem russischen Einmarsch in Brüssel ausgebreitet hat.
Hinter ihr steckt ein doppeltes Narrativ. Zum einen habe Putins Krieg die EU einig wie nie werden lassen: Über Nacht einigten sich die Mitgliedstaaten auf drastische Sanktionen, auf erste Schritte zu einer gemeinsamen Verteidigungspolitik – und nicht zuletzt auf eine entschlossene Sprache, die mit der früheren EU-Rhetorik kaum noch vergleichbar war.
Die französisch inspirierte Sicht auf Konflikte
Zum anderen habe der Krieg, so heißt es etwa in der EU-Kommission, endgültig jener französisch inspirierten Sicht der Dinge zum Durchbruch verholfen, die sich auch Kommissionschefin Ursula von der Leyen auf die Fahnen geschrieben hat: dass die EU ihre Politik schnellstmöglich auf „strategische Autonomie“ und auf „Souveränität“ ausrichten müsse.
Im Klartext bedeuten die schwammigen Begriffe weniger ökonomische Offenheit nach außen, mehr staatliche Förderung von „Schlüsselindus­trien“ und generell mehr Staat in allen Wirtschaftszweigen, die auf die eine oder andere Art als „strategisch“ gelten. Sie bedeuten, anders formuliert, mehr Industriepolitik französischer Prägung.  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "faz.net"-Artikel von Eckart Lohse mit der Überschrift "Verhältnis zu Russland / Steinmeier: «Ich habe mich geirrt»" (Montag, 04. April 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Steinmeier übte sehr grundsätzliche Selbstkritik ... „Wir sind gescheitert mit der Errichtung eines gemeinsamen europäischen Hauses, in das Russland einbezogen wird. Wir sind gescheitert mit dem Ansatz, Russland in eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur einzubinden.“  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "faz.net"-Artikel von Nikolas Busse mit der Überschrift "Die NATO und die Ukraine / Merkels strategischer Fehler" (Montag, 04. April 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Niemand im Westen, auch nicht die frühere Bundeskanzlerin, ist schuld daran, dass Putin ein friedliches Nachbarland überfallen hat. Für diese gewissenlose Entscheidung ist allein der russische Präsident verantwortlich.
Allerdings ist der NATO-Gipfel 2008 in Bukarest, auf dem Merkel nichts falsch gemacht haben will, Teil der unseligen Vorgeschichte. Dieses Treffen, auf dem der Ukraine und Georgien der Beitritt zur Allianz versprochen wurde, war in der Tat von einer „Fehlkalkulation“ geprägt, wie Selenskyj sagt.
Rücksicht auf Russland
Auf dem Gipfel wollte der damalige amerikanische Präsident Bush eine schnelle Aufnahme der beiden früheren Sowjetrepubliken erreichen. Deutschland und Frankreich verhinderten das aus Rücksichtnahme auf Russland. Heraus kam ein typischer Gipfelkompromiss. Die beiden Länder erhielten eine Zusage, der Beitritt wurde aber nicht vollzogen.  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "welt.de"-Artikel von Thomas Vitzthum mit der Überschrift "Russland-Politik / Merkel soll für Putins Krieg büßen?" (Montag, 11. April 2022):
 Anfang Längeres Zitat  ... Es war allenfalls eine sehr stille Minderheit, die die Politik des Wandels durch Handel als riskant beschrieb. Und niemand sah darin gar zwingend den Wegbereiter eines kommenden Krieges.
Vielmehr war man – in Medien, Politik und Gesellschaft – doch mit Merkel einig, dass wirtschaftliche Verflechtung am ehesten dazu tauge, Krieg zu verhindern. Wenn Merkel sagte, ein Konflikt lasse sich nur diplomatisch lösen, so beschrieb sie ebenfalls einen Konsens. Einen politischen, einen gesellschaftlichen und einen historischen ...  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "faz.net"-Artikel von Reinhard Veser mit der Überschrift "Nord Stream 2 / Der fatale Fehler Deutschlands" (Samstag, 23. April 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Der Name der belagerten, zerschossenen und hungernden Stadt Mariupol war schon zum Synonym für die schlimmsten Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg geworden, als Dmitrij Medwedjew Ende März in einem Interview mit dem russischen Fernsehen sagte, er glaube immer noch an eine „erfreuliche Zukunft“ für die Gaspipeline Nord Stream 2. Das Projekt sei für alle Beteiligten rentabel, deshalb gelte: „Konflikte kommen und gehen, Geld bleibt.“
Ob Putins einstiger Präsidentenplatzhalter wirklich glaubt, dass die Ostseepipeline noch in Betrieb gehen wird, oder ob das Zweckoptimismus zu propagandistischen Zwecken war, ist unerheblich. Interessant sind Medwedjews Worte, weil sie widerspiegeln, was aus Sicht der russischen Führung ein wesentlicher Zug der deutschen Russlandpolitik war: die Bereitschaft, alle schönen Worte über demokratische Werte, europäische Solidarität und so weiter hintanzustellen, sobald nur genug Geld und Interessen deutscher Konzerne im Spiel sind.  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "faz.net"-Artikel von Konrad Schuller mit der Überschrift "Strategie gegenüber Putin / Wofür der Westen kämpfen muss" (Sonntag, 01. Mai 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Wenn ... der Westen in der Ukraine sich selbst verteidigt, hat das Folgen für die Definition seiner Ziele. Eine Folgerung ist: Ein Waffenstillstand alten Typs reicht nicht mehr. Die Minsker Abkommen von 2014 und 2015 hatten zwar Vorzüge. Solange sie galten, starben nicht mehr Dutzende von Menschen jeden Tag, sondern nur alle paar Tage einer. Aber Russland behielt die eroberte Krim, und vor allem flossen weiter Öl, Gas und Euros. Putin hielt Paraden, und der Westen finanzierte die Hyperschallwaffen, die jetzt die Ukraine angreifen. Der Mix von Minsk, Waffenruhe plus Geschäft schuf die Basis des Überfalls von 2022.
So einen falschen Waffenstillstand darf es nicht wieder geben. Wenn Putin als Lohn für kurzes Stillhalten seine neuen Eroberungen behalten darf und zugleich die Sanktionen loswird, wäre das für ihn ein Triumph ...  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "welt.de"-Artikel von Claus Christian Malzahn, Thomas Vitzthum mit der Überschrift "Bundesregierung / Russland-Nähe im Sinne der deutschen Bürger" (Sonntag, 01. Mai 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Schröder, Schwesig, Steinmeier: Zurzeit wird vor allem die SPD für Deutschlands hoch naiven Kurs gegenüber Putin attackiert – doch das greift viel zu kurz: Fast alle Parteien waren daran beteiligt. Und ihr Handeln entsprach oft dem, was sich das Volk wünschte.  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "faz.net"-Artikel mit der Überschrift "Olaf Scholz : «Russlands Aggression ist die größte Katastrophe unserer Zeit»" (Freitag, 06. Mai 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Scholz hob abermals die Solidarität der Bundesregierung mit der Ukraine hervor. „Wir leisten der Ukraine jegliche Unterstützung, die wir geben und zugleich verantworten können“, sagte er – auch mit Waffen, damit sich die Ukraine verteidigen könne. „Vor dem Hintergrund unserer deutschen Geschichte ist das einerseits alles andere als selbstverständlich – andererseits aber auch folgerichtig.“
„Putin darf diesen verbrecherischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht gewinnen – und er wird diesen Krieg auch nicht gewinnen“, sagte Scholz. „Kommt Putin damit durch, dann droht internationale Regellosigkeit. Schon allein deshalb darf Russland nicht die Oberhand behalten.“
Der Kanzler warnte zugleich davor, den Krieg zum Anlass zu nehmen, um die Globalisierung zurückzudrehen und sich abzuschotten. Deutschland profitiere von der Globalisierung: „Handel schafft Arbeitsplätze“, und zwar auch hierzulande. „Deshalb sage ich mit aller Klarheit: Die 'Deglobalisierung' funktioniert nicht.“
Nötig sei allerdings eine „klügere“, eine „nachhaltige“ und „solidarische“ Globalisierung ...  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "faz.net"-Artikel von Konrad Schuller mit der Überschrift "Offener Brief zu Ukraine-Krieg / Frieden mit dem Todfeind" (Samstag, 07. Mai 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Ohnehin ist die ständige Versicherung, niemals mit eigenen Soldaten in diesen Krieg einzugreifen, ein Fehler in der Kommunikation ...
... Angreifer mit Vernichtungsabsicht werden durch Passivitätsversprechen ermutigt. Deshalb darf ein amerikanischer Präsident oder ein deutscher Kanzler zwar durchaus für sich beschließen, sein Land aus diesem Krieg herauszuhalten. Er sollte das aber nicht hinausposaunen, denn das gibt dem Angreifer das Gefühl der Gefahrlosigkeit. Und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Putin diesen Krieg auch deshalb gewagt hat, weil Scholz und Biden ihm durch ihre Festlegung, nicht einzugreifen, dieses Gefühl vermittelt haben. Mehr strategische Uneindeutigkeit hätte ihn vielleicht vorsichtiger gemacht.  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "faz.net"-Artikel mit der Überschrift "Russlands Angriffskrieg / Selenskyj: Ukraine ist Teil der freien Welt, Russland ist isoliert" (Montag, 09. Mai 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht eine große Symbolkraft in den Reisen internationaler Prominenz in sein Land zum Jahrestag des Weltkriegsendes in Europa. „Der heutige Tag in der Ukraine hat gezeigt, dass wir bereits ein vollwertiger Teil der freien Welt und eines vereinten Europas sind“, betonte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache am Sonntagabend ...  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "zeit.de"-Interview von Nils Markwardt mit Boris Groys [Philosoph, Kulturtheoretiker und Kunstkritiker] mit der Überschrift "Invasion der Ukraine / «Russland versteht sich als der wahre Westen»" (Mittwoch, 11. Mai 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Groys: Das hat damit zu tun, dass Russland immer der bessere Westen sein wollte, nicht der eigentliche Westen. Verteidigte man schon Byzanz als das wahre Erbe Roms, wird auch der heutige Westen als dekadente Verfälschung seines ursprünglichen Selbst gesehen. Als 1935 in Paris der internationale Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur aufrief, bemerkte Stalin, der Westen zeige sich unfähig, das große westliche Erbe zu verteidigen. Deshalb sei es nun die Aufgabe der Sowjetunion, dies zu übernehmen. Dementsprechend wurde auch in den Schulen der Sowjetunion gelernt, diese sei das Ergebnis der besten westlichen Traditionen: von Aufklärung, Hegel’scher Dialektik, deutschem Idealismus, Adam Smiths wirtschaftlicher Analyse, westlichen sozialistischen Utopien. Schaut man sich die gegenwärtige Propaganda des russischen Regimes an, findet man Ähnliches: Letztlich verteidige man das Beste der westlichen Kultur. Der Westen selbst habe durch Multikulturalismus, LGBTQ-Ideologie und allgemeine Dekadenz nämlich seine Wurzeln verraten. Jetzt versucht Russland wieder einmal den wahren Westen zu retten. Hatte die Sowjetunion sich also als progressive Seite der westlichen Kultur verstanden, sieht sich das heutige Russland als ihre reaktionär-konservative Seite. In beiden Fällen versteht Russland sich selbst als den wahren Westen, den real existierenden Westen hingegen als pervertierten Westen.  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "spiegel.de"-Artikel von Markus Kaim [Forschungsgruppe „Sicherheitspolitik“ der Stiftung Wissenschaft und Politik] mit der Überschrift "Deutschlands Sicherheitsinteressen / Wenn Putin verliert ..." (Montag, 23. Mai 2022):
 Anfang Längeres Zitat  ... Welche Rolle sieht die deutsche Politik für Russland in einer europäischen Nachkriegsordnung vor – Partner, Rivale, Gegner? Eine Antwort auf diese Frage sollte es der deutschen Politik auch leichter machen, sich zum jüngst verkündeten, neuen Kriegsziel der USA zu verhalten: »Wir wollen Russland so sehr geschwächt sehen, dass es nicht mehr in der Lage sein wird, Dinge wie diese zu tun, die es mit der Invasion der Ukraine getan hat«, sagte der amerikanische Verteidigungsminister Austin erst vor wenigen Tagen. Teilt die Bundesregierung dieses Ziel, und was würde sich daraus für Deutschland und Europa ableiten?  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "welt.de"-Artikel von Faina Voskanian, Sandra Will, Frank Stocker mit der Überschrift "Ukraine-Krieg / Henry Kissinger schlägt vor, dass Ukraine Gebiete an Russland abgibt" (Dienstag, 24. Mai 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger hat beim Weltwirtschaftsforum in Davos vorgeschlagen, dass die Ukraine Gebiete an Russland abgibt, um so den Krieg zu stoppen. Der 98-jährige Friedensnobelpreisträger sagte am Montag auch, dass der Westen nicht zur Niederlage Russlands beitragen solle ...  Ende Längeres Zitat 
► "faz.net"-Artikel mit der Überschrift "Ukrainekrieg / Raketenwerfer aus Washington für Kiew" (Mittwoch, 01. Juni 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Die amerikanische Regierung liefert der Ukraine im Rahmen eines neuen Sicherheitspakets moderne Mehrfachraketenwerfer zur Verteidigung gegen den russischen Einmarsch. Aus dem Weißen Haus hieß es am Dienstagabend, die Ukraine habe zugesichert, mit dem in den Vereinigten Staaten hergestellten Artilleriesystem HIMARS nicht Ziele auf russischem Territorium anzugreifen. Das System sei Teil eines Pakets im Wert von 700 Millionen Dollar, das daneben unter anderem Geschosse, Radarsysteme, Panzerabwehrwaffen vom Typ Javelin, Hubschrauber, Fahrzeuge und Ersatzteile beinhalte.
Der amerikanische Präsident Joe Biden schrieb in einem Gastbeitrag für die „New York Times“, mit den modernen Raketensystemen solle das angegriffene Land in die Lage versetzt werden, „wichtige Ziele auf dem Schlachtfeld in der Ukraine“ präziser zu treffen. Biden versicherte zugleich: „Wir wollen keinen Krieg zwischen der NATO und Russland.“ Die Vereinigten Staaten versuchten auch nicht, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu stürzen. Wenn Russland aber keinen hohen Preis für den Angriff auf die Ukraine bezahlen müsse, könnte das zum Ende der regelbasierten internationalen Ordnung und zu katastrophalen Folgen weltweit führen.
„Solange die Vereinigten Staaten oder unsere Verbündeten nicht angegriffen werden, werden wir uns nicht direkt in diesen Konflikt einmischen, weder durch die Entsendung amerikanischer Truppen in die Ukraine noch durch einen Angriff auf russische Streitkräfte“, schrieb Biden. „Wir ermutigen oder ermöglichen der Ukraine nicht, jenseits ihrer Grenzen zuzuschlagen. Wir wollen den Krieg nicht verlängern, nur um Russland Schmerzen zuzufügen.“
Die Amerikaner würden dem ukrainischen Volk aber auch weiterhin beistehen, „weil wir wissen, dass es Freiheit nicht umsonst gibt“, schrieb Biden. „Wir wollen eine demokratische, unabhängige, souveräne und wohlhabende Ukraine, die über die Mittel zur Abschreckung und Verteidigung gegen weitere Aggressionen verfügt.“ Die Vereinigten Staaten würden mit ihren Partnern weiter an Sanktionen gegen Russland arbeiten.
Biden hob hervor, derzeit gebe es keine Anzeichen dafür, dass Russland die Absicht habe, in der Ukraine Atomwaffen einzusetzen. Die „gelegentliche Rhetorik Russlands, mit dem nuklearen Säbel zu rasseln“, sei an sich aber schon gefährlich und unverantwortlich. „Um es klar zu sagen: Jeder Einsatz von Atomwaffen in diesem Konflikt, egal in welchem Ausmaß, wäre für uns und den Rest der Welt völlig inakzeptabel und hätte schwerwiegende Konsequenzen zur Folge.“
Dass die Vereinigten Staaten die Lieferung des HIMARS-System Erwägung zogen, hatten amerikanische Medien bereits vergangene Woche gemeldet. Biden hatte aber am Montag Verwirrung ausgelöst, als er sagte, man werde nicht Raketensysteme in die Ukraine schicken, die russisches Territorium treffen könnten. Nach Darstellung seiner Sprecherin Karine Jean-Pierre meinte der Präsident, man werde keine Raketen „für den Einsatz außerhalb des Schlachtfelds in der Ukraine“ liefern.
Ein ranghoher amerikanischer Regierungsvertreter sagte am Dienstagabend: „Die Ukrainer haben uns versichert, dass sie diese Systeme nicht gegen Ziele auf russischem Gebiet einsetzen werden.“ Die Vereinigten Staaten würden mit dem HIMARS-System Geschosse liefern, die nur eine Reichweite von rund 80 Kilometern hätten – spezialisierte Raketen zur Verwendung in dem System können dagegen bis zu 300 Kilometer weit fliegen. Der Sender CNN hatte von Befürchtungen in der Washington berichtet, dass ukrainische Angriffe auf russisches Gebiet Vergeltungsmaßnahme gegen die Vereinigten Staaten zur Folge haben könnten.
Der Regierungsvertreter sagte bei einer Telefonschalte mit Journalisten, seit Mitte April hätten die Ukrainer auf die Lieferung von Artillerie gedrängt. Das sei für Amerika zur „obersten Mission“ geworden. Von 108 zugesagten amerikanischen Haubitzen vom Typ M777 seien fast alle bereits geliefert worden. Die Reichweite dieser Haubitzen wird mit rund 25 Kilometern angegeben. Die amerikanische Regierung hat schon mehrere große Pakete zur Unterstützung der Ukraine auf den Weg gebracht. Erst kürzlich hatte der Kongress ein Hilfspaket für die Ukraine mit einem Volumen von fast 40 Milliarden Dollar beschlossen.  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "faz.net"-Artikel von Johannes Leithäuser mit der Überschrift "Deutsche Russlandpolitik / Gabriel bezeichnet Fehleinschätzung von Putin als «massives Scheitern»" (Montag, 13. Juni 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat die Fehleinschätzung der Absichten des russischen Präsidenten Wladimir Putin als „massives Scheitern“ und einen „kompletten Fehlschlag“ bezeichnet, den er als einstiges deutsches Regierungsmitglied auch noch heute als eine „persönliche Bürde“ empfinde. Gabriel äußerte sich zu Beginn der deutsch-amerikanischen Jahrestagung des American Council on Germany und des Vereins Atlantik-Brücke.
Er sagte, bezüglich des Verhaltens der russischen Führung habe es nicht nur einen Irrtum einzelner deutscher Politiker gegeben, sondern ein gemeinschaftliches Versagen. Es habe „viel zu lange“ die Ansicht geherrscht, dass wirtschaftliche Zusammenarbeit und das Drängen auf Reformen der adäquate politische Ansatz gegenüber Russland seien ...  Ende Längeres Zitat 
► "bild.de"-Artikel von Jeanne Plaumann mit der Überschrift "EU-, G7- und Nato-Treffen direkt nacheinander / Gipfel-Marathon für den Kanzler" (Donnerstag, 23. Juni 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Drei Gipfel in acht Tagen: Auf Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD) kommt ein regelrechter Marathon zu.
Nach dem heute startenden EU-Gipfel in Brüssel und dem Treffen der G7 im bayerischen Schloss Elmau (Sonntag bis Dienstag) geht es für Scholz direkt weiter nach Madrid – der Nato-Gipfel steht an (Mittwoch).
Neben dem Kanzler, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron (44) und dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi (74) will auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (44) bei allen drei Gipfeln dabei sein – per Video-Schalte.
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die Folgen für die Welt werden bei allen Gipfel DAS zentrale Thema sein.  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "faz.net"-Artikel von Oliver Georgi mit der Überschrift "Politische Kehrtwenden / Ein neuer Weg ist keine Schande" (Sonntag, 26. Juni 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Der Krieg in der Ukraine stellt in der deutschen Politik vieles vom Kopf auf die Füße. Sozialdemokraten liefern plötzlich schwere Waffen in ein Kriegsgebiet, Liberale machen bereitwillig Schulden, Grüne schlucken ihre Moral runter und kaufen Gas bei Scheichs in Doha. In seiner Not will Wirtschaftsminister Robert Habeck jetzt sogar Kohlekraftwerke wieder hochfahren, um einen Energiekollaps im Winter zu verhindern.
Das Problem mit solchen „Kehrtwenden“ ist, dass fast alle sie kritisch sehen ... Oft sind politische Kehrtwenden verpönt; schon das Wort hat für viele einen negativen Klang. Wenn ein Politiker seinen Kurs abrupt ändert, gilt er schnell als durchsetzungsschwach oder auch als Opportunist, der sich aus Machtkalkül von wechselnden Stimmungen in der Bevölkerung leiten lässt. So als sei Politik eine gerade Straße, die immer nur in eine Richtung führen darf.
Dabei ist nicht automatisch etwas falsch daran, umzudrehen. In Ausnahmesituationen wie jetzt versteht das jeder ... Kehrtwenden bedeuten auch nicht, dass alles, was man davor vertreten hat, plötzlich nichtig ist.
Man kann als Politiker weiter vom Gegenteil überzeugt bleiben und muss sich keine Prinzipienlosigkeit vorwerfen lassen, selbst wenn die Dringlichkeit der Lage ein anderes Vorgehen zeitweilig richtiger macht. Auch in normalen Zeiten sind Kehrtwenden nicht unbedingt ehrenrührig. Wer als Politiker zur Erkenntnis gelangt, dass er falschlag, und die Größe hat, das auch zuzugeben, warum sollte der nicht einen anderen Weg versuchen dürfen?
... Kehrtwenden werden nicht schal, nur weil sie Leuten auch politisch in den Kram passen. Und sie sind nicht automatisch gut, nur weil es im Moment keine andere Lösung gibt ...  Ende Längeres Zitat 

1. Gibt es einen Unterschied zwischen dem Putin-Regime und dem BRD/EU-Regime? Ja, und deswegen ist es verständlich, daß die Ukraine die Zugehörigkeit zum BRD/EU-System der Oberherrschaft durch Rußland vorzieht.
Wir dürfen aber nicht vergessen, daß die Ukraine gar keine Alternative zum BRD/EU-Regime hat, wenn sie nicht Rußland unterworfen sein will.
Die Ukraine bekommt also nicht Freiheit und Demokratie, wenn sie sich dem BRD/EU-System anschließt, sie würde, wenn sie es schafft, lediglich die Freiheit von Putin und Rußland bekommen.
Die Ukraine wäre in einer glücklicheren Lage, wenn Europa ein Kontinent soveräner Nationalstaaten wäre (von denen sicher einige liberale Demokratien wären) und nicht ein durch die Jusomitenherrschaft gleichgeschalteter Einheitsblock.
In dem Fall könnte sie sich mit den liberalen Demokratien verbünden und selbst eine Zukunft als eine souveräne Demokratie anstreben.
Man sieht, daß der BRD/EU-Einheitsblock für die freiheitliebenden Völker und Nationen Europas eine sehr zweifelhafte Sache ist. Er verweigert nicht nur den ihm unterworfenen Mitgliedsländern Freiheit und Demokratie, er verstellt auch den Ländern, die sich dem russischen Einfluß entziehen wollen, den Weg in eine freie und demokratische Zukunft.
EUropa/EUdssr/EUtatur einerseits und Rußland andererseits sind undemokratische bzw. totalitäre Manipulationsherrschaften unterschiedlichen Grades und unterschiedlicher Ausprägung.
Das Verhältnis von EUtatur und Rußland spiegelt sich wider in der Unterstützung, die die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Rußland durch die EUtatur erhält.
Insoweit sich die EUtatur von Rußland unterscheidet, erhält die Ukraine Unterstützung, insofern die EUtatur und Rußland sich gleichen, wird der Ukraine Unterstützung verweigert.
Das Verhältnis zwischen EUtatur und Rußland kann man nicht als Feindschaft oder Gegnerschaft bezeichnen. Es ist nicht ein Kampf zwischen unterschiedlichen festgefügten politischen Ordnungsvorstellungen, sondern ein offenes Ringen zwischen ideologischen Gesinnungsgenossen um die zukünftige jusomitische Gestalt Europas. Beide Seiten sind Feinde von Freiheit und Demokratie, was sie trennt sind unterschiedliche Vorstellungen über die konkrete Ausgestaltung der jusomitischen Diktatur.
Die EUtatur und Rußland stehen in keinem echten Krieg gegeneinander. Ein Krieg ist eine existenzielle Angelegenheit, in der beide Seiten den eigenen Sieg und die Niederlage des Gegners wollen.
Da sich die EUtatur und Rußland aber nicht prinzipiell unterscheiden, können sie nur einen Kompromiß wollen, und sie können auch gar nichts anderes erreichen.
Die Ukraine wird das sein, was die EUtatur und Rußland über die Köpfe der Ukrainer hinweg aushandeln, also mit Sicherheit kein freies und souveränes Land.
Nach dem Ende der militärischen Auseinandersetzung wird die politische Ordnung Europas noch schlimmer sein, als sie es vor dem Einsetzen der russischen Aggression gegen die Ukraine war.
Die Verantwortung für diese Entwicklung liegt auf beiden Seiten. Rußlands Vorgehen gegen die Ukraine ist zweifellos verbrecherisch, aber die eigentliche historische Verantwortung für das erneute russische Ausgreifen nach Osteuropa trägt die EUtatur.
Die EUtatur erfreut sich des Schutzes und der Existenzgarantie durch die USA, aber diese Sicherheit hat sie genutzt für politisch-ideologisches Abenteurertum. Sie hätte ihre Irrwege und Fehler einsehen und erkennen können und müssen.
Es gibt keinen Zweifel: Die russische Aggression gegen die Ukraine und Osteuropa ist das Resultat des EUropa/EUdssr/EUtatur-Projektes. Die Schwäche und abgrundtiefe moralische Verkommenheit dieses Projektes hat die russische Aggression provoziert.
Eine definitive Entscheidung über die zukünftige politische Ordnung Europas - das Miteinander souveräner unabhängiger Nationalstaaten vs. das Joch der jusomitischen Gemeinschaftsdiktatur über alle Völker und Nationen Europas - wird die kriegerische Konfrontation zwischen EUtatur und Rußland kaum hervorbringen.
Statt einer definitiven Entscheidung wird der Niedergang des jusomitischen EUropa nur fortgesetzt. Wie die temporären faulen Einigungen aussehen werden ist offen, aber der letztliche Zusammenbruch der Komplizenschaft EUropa-Rußland ist sicher.
 
2. Die russische Aggression gegen die Ukraine richtet sich im Eigentlichen gegen die EU. Mittelbar (die Ukraine als Mittelpartei) steht die EU in militärischer Auseinandersetzung mit Rußland.
Aber selbst in dieser kriegerischen Phase des Verhältnisses EU-Rußland sendet die EU-Seite Signale der Kollaboration, des Appeasement, des Kompromißmus, denn was für die EU auf dem Spiel steht ist nicht weniger als das ganze Paradigma des Globalismus, Kosmopolitismus, Internationalismus, Universalismus, Multikulturalismus, Multilateralismus usw.
Rußland hat in dieser Hinsicht eher eine unehrliche Haltung: eigentlich hat es keine globalistischen Ambitionen, aber wenn sogar Amerika und China ihren Expansionismus globalistisch rechtfertigen, dann folgt eben auch Rußland dem Zeitgeist - nach SEINEM Verständnis von Globalismus.
Globalismus ist in erster Linie ein westlich-jusomitisches Anliegen, und deswegen werden Rußland und China bis auf weiteres beschwichtigt und gehätschelt, was immer sie sich erlauben.
Der BRD-Kanzler Scholz redet zwar einerseits hochtrabend von "Zeitenwende", aber andererseits sagt er "'Deglobalisierung' funktioniert nicht.“
Das heißt nichts anderes als "weiter so". Zu einem Sieg der Ukraine über Rußland bzw. einer Niederlage für Rußland will er sich nicht bekennen.
Der außenpolitische Altvordenker des Jusomitismus, Kissinger, redet Klartext: er schlägt ukrainische Gebietsabtretungen vor und will ausdrücklich keine Niederlage Rußlands.
Der Gastbeitrag von US-Präsident Biden in der „New York Times“ ist praktisch eine Zusicherung an Putin, in der Ukraine freie Hand zu haben.
 
3. In seinem derzeitigen Machtkalkül setzt Putin auf die Karte des russischen Nationalismus.
Im Prinzip ist gegen Nationalismus nichts einzuwenden.
Dummerweise hat seine Aggression gegen die Ukraine den Effekt, daß das EU-System mit seinem Antinationalismus wieder neuen Auftrieb erhält. Man schließt die Reihen, man kann auf eine äußere Bedrohung verweisen.
Wieder sorgt eine Krise für eine Stabilisierung des EUropa-Systems. Man könnte meinen, das System hätte den Überfall auf die Ukraine bei Putin bestellt.
Charles Michel, Präsident des Europäischen Rats, frohlockt, die EU-Reaktion auf Putins Aggression werde "in die Annalen des Projekts Europa“ eingehen. Die EU könne nun in Reaktion auf Putins Krieg in der Ukraine „noch souveräner, noch unabhängiger und noch strategischer“ werden, gibt die FAZ seine Sicht wider.
Schäubles Krisen-Philosophie läßt grüßen: “We can only achieve a political union if we have a crisis,” Mr. Schäuble said, war schon vor längerer Zeit in der New York Times zu lesen.
 
4. Wer meint, die Welt mit Bomben, Raketen und Granaten auf Wohngebiete und zivile Infrastruktur verbessern zu müssen, ist nicht dazu berufen, die Welt zu verbessern.
Diese Einsicht gibt es auch noch in den USA und Europa.
Das ist aber noch die Einsicht des alten traditionellen Amerika, wie es vor dem Einsetzen der jusomitisch-globalistischen Transformation war.
Noch ist das gute alte Amerika wirksam. Nur darin besteht ja der Unterschied zwischen dem Westen und Rußland. Nur deshalb stehen wir im Ukraine-Konflikt auf der Seite der Ukraine, obwohl er vorläufig auch dem EU-System zugute kommt.
Das originäre Amerika spricht aus der Haltung von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin: »Wir wollen Russland so sehr geschwächt sehen, dass es nicht mehr in der Lage sein wird, Dinge wie diese zu tun, die es mit der Invasion der Ukraine getan hat«.
In der Konsequenz dieser Haltung liegt aber auch die Abkehr von der Ideologie des Jusomitismus, die Abkehr von Globalismus, Kosmopolitismus, Internationalismus, Universalismus, Multikulturalismus, Multilateralismus usw.
In der Widersprüchlichkeit der US-Regierung spiegelt sich die Zerrissenheit der amerikanischen Gesellschaft: auf der einen Seite der angelsächsische völkische Nationalismus, auf der anderen der jusomitische Globalismus.
Daß Lloyd Austin schwarzer Hautfarbe ist besagt in diesem Zusammenhang gar nichts.
Die Hoffnung ist, daß der amerikanische Nationalismus obsiegt, Rußland seine verdiente Niederlage erleidet, der jusomitische Globalismus seinen letzten Atemzug aushaucht und das EUropa/EUdssr/EUtatur-Gebilde auf dem Müllhaufen der Geschichte liegt. Wenn das der Fall ist, wollen wir von "Zeitenwende" reden. Einstweilen ist Putins "militärische Spezialoperation" nur ein Moment der Wahrheit für das System und seine Nomenklatura.
 
5. WoFÜR kämpfen die Ukrainer, wenn sie sich der Russen erwehren?
FÜR eine Mitgliedschaft in der EU?
Insofern sie gar keine andere Alternative haben schon.
Was hat die EU, was die Russen nicht haben?
Die EU hat Schutz und Sicherheit durch die USA und damit durch die amerikanische Variante der jusomitisch-globalistischen Lebenswirklichkeit, Rußland hat die russische Variante der jusomitisch-globalistischen Lebenswirklichkeit.
Wodurch unterscheidet sich die amerikanische von der russischen Variante der jusomitisch-globalistischen Lebenswirklichkeit?
In der amerikanischen jusomitisch-globalistischen Lebenswirklichkeit ist noch immer, wenn auch immer weniger, das alte traditionelle Amerika mit seinen alten traditionellen politischen und sozialen Werten wirksam.
Nur deshalb, nur wegen des Restbestandes an originärem Amerikanismus im heutigen Amerika, ziehen die Ukrainer, und im übrigen die meisten Europäer, das Joch der jusomitisch-globalistischen EU dem Joch des jusomitisch-globalistischen Rußlands vor.
Die Brüsseler Erzählung, wonach der Maidan-Aufstand, der Antrag auf EU-Mitgliedschaft und der Abwehrkampf gegen die Russen zeigten, daß die Ukrainer sich für "Freiheit" und "Demokratie" entschieden hätten, und deshalb zur "europäischen Familie" gehörten, ist Lügenpropaganda in eigener Sache.
Tatsächlich dürften sich viele Ukrainer kaum Illusionen machen über die "Freiheit" und "Demokratie", die sie in der EU erwarten würde.
Aber die Ukrainer werden nicht danach gefragt, ob sie es nicht vorziehen würden, sowohl von der EU als auch von den Russen verschont zu werden, und eine selbstbestimmte Existenz in einem unabhängigen souveränen Nationalstaat zu führen.
 
6. Der ukrainische Präsident Selenskyj verdankt sich einer satirischen Antwort des ukrainischen Volkes auf die realsatirische politische Situation der Ukraine.
Aber die Antwort ändert nichts an der politischen Situation des Landes. Die Politik stolpert den kompaßlosen Irrwegen einer korrupten Wirtschaft hinterher.
Deshalb muß, wie in EU-Europa und in den USA, zwischen der System-Klasse und der Bevölkerung unterschieden werden.
Wo die politischen Präferenzen der ukrainischen System-Klasse liegen ist eindeutig.
Sie singt das Lied der EU, wo die Verhältnisse im Prinzip nicht anders sind, wo die Politik ebenfalls die korrupte Magd der korrupten Wirtschaft ist.
Auch in seinem Zynismus steht das ukrainische Politregime dem der EUtatur nicht nach.
Der Präsident schimpft über seiner Meinung nach nicht ausreichende Hilfe, indem er der EU vorwirft nur "Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft“ im Kopf zu haben.
Da könnte man fast meinen, er hat einen unabhängigen souveränen Nationalstaat Ukraine im Sinn.
Aber seine Kompromißlosigkeit gegenüber Moskau, was die territoriale Integrität und das Selbstbestimmungsrecht der Ukrainer angeht, ist verlogen und wohlfeil.
Er ist fest entschlossen, die Ukraine fest in jusomitischer "Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft“ zu verankern.
Stimmen im Westen, die Putin seinen (derzeitigen) russischen Nationalismus zugute halten, sind sträflich naiv.
Im Kern ist das Putin-Regime jusomitisch, also internationalistisch-kapitalistisch. Da ist der Putin-Kumpan Dmitrij Medwedjew sonnenklar: „Konflikte kommen und gehen, Geld bleibt.“
Was Israel angeht, so macht es im Ukraine-Konflikt den Ohnemichel. Israel ist eine singuläre geopolitische Entität des Jusomitismus. Da im Ukraine-Krieg beide Seiten jusomitischer Natur sind, ist die eine für Israel so gut wie die andere.
 
7. Drei Gipfel in acht Tagen?
Kennen Sie den?
Sagt Bertold Brecht:
Ja mach nur einen Gipfel,
Sei nur ein Globalist,
Und mach noch einen zweiten Gipfel,
Heraus kommt sowieso nur Mist.


Sonntag, der 21. August 2022
 
► "faz.net"-Artikel von Marcus Jung mit der Überschrift "Cum-ex-Affäre / Eine Mail belastet Olaf Scholz" (Mittwoch, 17. August 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Die interne Mail einer langjährigen Vertrauten von Olaf Scholz wirft Fragen bei Ermittlern im Cum-ex-Skandal auf. Was hat der Bundeskanzler zu verbergen?
In der Affäre um eine unterbliebene Steuerrückforderung der Privatbank M.M. Warburg durch Hamburger Finanzbehörden sind Ermittler im Umfeld von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) offenbar auf belastende Hinweise gestoßen. Wie NDR, „Stern“ und „Manager Magazin“ berichten, haben Kriminalbeamte im Auftrag der Staatsanwaltschaft Köln in diesem Frühjahr das Postfach von Scholz’ langjähriger Vertrauter Jeanette Schwamberger beschlagnahmt und durchsucht.
Laut Vermerk der Ermittler sei eine Mail vom April 2021 als „potenziell beweiserheblich“ aufgefallen, da sie „auf Überlegungen zum Löschen von Daten schließen“ lasse. Die Nachricht soll im Zusammenhang mit der Befragung von Scholz durch den Cum-ex-Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft stehen, inhaltlich geht es um Treffen mit Warburg-Bankiers im Herbst 2016. Zudem zitiert der „Stern“ aus einer bislang vertraulichen Aussage von Scholz vor dem Finanzausschuss des Bundestages. Sie soll Widersprüche zu seinen Äußerungen in Hamburg beinhalten.
Dem NDR ließ Scholz mitteilen, er sei „weder in die Kalenderabfrage noch in die Übersendung der Kalenderauszüge eingebunden“ gewesen. Darum hätten sich Wolfgang Schmidt (SPD), jetziger Kanzleramtsminister sowie Schwamberger gekümmert.
Auf Nachfrage von Journalisten erklärte ein Regierungssprecher in Berlin am Mittwoch, Schwamberger sei im Frühjahr 2021 Leiterin einer Unterabteilung im Bundesfinanzministerium und nicht Scholz’ Bürovorsteherin gewesen. Er verwies auf den Auftritts Scholz’ vor dem Untersuchungsausschuss in Hamburg. Dort würden am kommenden Freitag alle Fragen gestellt werden, und der Bundeskanzler werde darauf antworten.  Ende Längeres Zitat 
► Aus einem "faz.net"-Artikel von Marcus Jung mit der Überschrift "Staatsanwätin Anne Brorhilker / Diese Frau ist Olaf Scholz auf den Fersen" (Freitag, 19. August 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Anne Brorhilker ist das Gesicht des Staates im Kampf gegen organisierte Steuerhinterziehung. Ohne die Staatsanwältin aus Köln wären die Vorwürfe gegen Olaf Scholz im Cum-ex-Skandal womöglich nie aufgearbeitet worden.
... Der Betrug bei Sozialabgaben in der Baubranche prägte ihren Behördenalltag. Durch Zufall stieß sie im Jahr 2013 auf ein Schreiben des Whistleblowers Eckart Seith: Der Stuttgarter Anwalt beriet Drogeriekönig Erwin Müller, der sich von der Schweizer Bank Sarasin in Aktiengeschäften geprellt fühlte. Seith warnte die deutschen Behörden vor Cum-ex. Brorhilker tauchte ein in die kriminellen Konstrukte der Privatbanken, Aktienhändler, Leerverkäufer und Top-Wirtschaftskanzleien – und beschäftigt sich bis heute ausschließlich mit Cum-ex-Straftaten.
Man kann sagen, dass die zierliche Frau das Gesicht des Staates im Kampf gegen organisierte Steuerhinterziehung in Deutschland ist. Und dass die Vorwürfe einer möglichen politischen Einflussnahme auf die Hamburger Finanzverwaltung mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne die tatkräftige Anklägerin nie aufgearbeitet worden wären.
Was sie vom passiven Umgang der Steuerbehörden mit der Hamburger Privatbank M.M. Warburg hält, hat Brorhilker bereits im vergangenen Jahr kundgetan. „Dass hier Scheinrechnungen von Privatbank zu Privatbank geschrieben werden, kenne ich nur aus dem Gerüstbau“, sagte sie als Zeugin vor dem Untersuchungsausschuss ...  Ende Längeres Zitat 
► "faz.net"-Artikel mit der Überschrift "Cum-Ex-Affäre / Scholz weist jede Einflussnahme auf Steuerverfahren zurück" (Freitag, 19. August 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Der Bundeskanzler bleibt dabei: Vor dem Untersuchungsausschuss zur Cum-ex-Affäre in Hamburg betont Olaf Scholz abermals, sich nicht in das Steuerverfahren der Warburg-Bank eingemischt zu haben.
Olaf Scholz ist pünktlich. Um 14.02 Uhr begrüßt der Bundeskanzler sowohl den SPD-Vorsitzenden des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft zum „Cum-Ex“-Skandal als auch den CDU-Schriftführer per Handschlag, ehe er sich am Freitag im Plenarsaal des Rathauses auf seinen gewohnten Platz setzt. „Ich freue mich, nach langer Zeit wieder in Hamburg zu sein, ganz besonders an diesem Platz“, eröffnet der frühere Hamburger Bürgermeister seinen inzwischen zweiten Auftritt vor dem Ausschuss.
Auch diesmal soll er als Zeuge bei der Klärung der Frage helfen, ob er oder andere führende SPD-Politiker Einfluss auf die steuerliche Behandlung der in den „Cum-Ex“-Skandal verwickelten Warburg Bank genommen haben. Kanzler Scholz, vor dem Ausschuss gibt er als Beruf Rechtsanwalt an, geißelt zunächst „Cum-Ex“-Geschäfte im Allgemeinen – „das ist nichts anderes als Steuerbetrug“ – betont dann, dass er sich schon sein gesamtes politisches Leben für ein gerechtes Steuersystem einsetze.
Es dauert nur wenige Minuten, bis er wiederholt, was er schon bei seiner ersten Vernehmung im April vergangenen Jahres gesagt hat. „Ich habe auf das Steuerverfahren Warburg keinen Einfluss genommen.“ Diesmal fügt er noch an, er habe die Hoffnung, dass die Mutmaßungen und Unterstellungen, die „durch nichts und niemanden gestützt“ würden, nun langsam aufhören.
Scholz erinnert sich immer noch nicht an Inhalt der Bankgespräche
Hintergrund der Anschuldigungen der Opposition sind drei Treffen von Scholz mit den Gesellschaftern der Warburg Bank, Christian Olearius und Max Warburg, in den Jahren 2016 und 2017. Nach den ersten Treffen hatte die Hamburger Finanzverwaltung trotz ursprünglich anderer Pläne Rückforderungen von zu Unrecht erstatteter Kapitalertragssteuer in Höhe von 47 Millionen Euro gegen die Bank verjähren lassen. Weitere 43 Millionen Euro wurden ein Jahr später erst kurz vor der Verjährung und auf Weisung des Bundesfinanzministeriums zurückgefordert.
Scholz hatte die Treffen bei seiner ersten Vernehmung im April vergangenen Jahres zwar eingeräumt, aber angegeben, sich an Inhalte nicht mehr erinnern zu können. Das sei nach wie vor so, sagt der Kanzler. Gleichzeitig betont er, dass er Treffen zwischen dem Bürgermeister und Bankern für angemessen halte. Außerdem hätten die Ausschussuntersuchungen seither exakt das bestätigt, was er schon damals gesagt habe: „Es hat keinerlei politische Einflussnahme gegeben.“
Die Frage des CDU-Abgeordneten Götz Wiese, ob nicht schon sein Rat an Olearius eine Einflussnahme gewesen sei, ein Schreiben zur Lage der Bank an den damaligen Finanzsenator und heutigen Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) zu schicken, weist Scholz zurück. „Können Sie das begründen?“, fragt Wiese. „Das muss ich nicht“, antwortet Scholz. „Ich bitte Sie darum“, hakt Wiese nach. „Ich will nicht“, antwortet Scholz. Nachdem Olearius den Brief an Tschentscher geschickt hatte, hatte dieser das Schreiben mit der „Bitte um Informationen zum Sachstand“ an die Finanzverwaltung weitergereicht.
„Es macht doch keinen Sinn, wenn wir hier spekulieren.“
Wie schon im April tun sich die Abgeordneten extrem schwer mit dem Zeugen Scholz. Wieder und wieder befragen sie ihn und erhalten doch immer wieder nur die gleichen Antworten: Daran könne er sich nicht erinnern, das sei ihm nicht bekannt, das wisse er nicht. Immer wieder auch: „Es hat doch keinen Sinn, wenn wir hier gemeinsam spekulieren.“ Klar sei aber: „Es hat keine Vorzugsbehandlung von Herrn Warburg oder Herrn Olearius gegeben.“ Scholz betont auch: „Der Freien und Hansestadt ist kein finanzieller Schaden in dieser Angelegenheit entstanden.“ Die Steuerschulden seien zurückgefordert und auch bezahlt worden - allerdings war 2016 noch gar nicht klar, dass dies möglich ist. Die Rückforderung wurde erst später nach einer entsprechenden Gerichtsentscheidung erhoben und die Warburg Bank geht nach wie vor dagegen juristisch vor.
Die umstrittenen Treffen von Scholz und Olearius sollen unter anderem vom damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs und dem früheren SPD-Innensenator Alfons Pawelczyk angebahnt worden sein. Aus Ermittlungsakten geht nach Angaben von Mitgliedern des Hamburger Untersuchungsausschusses hervor, dass in einem Schließfach von Kahrs mehr als 200.000 Euro Bargeld gefunden wurden. Scholz sagt, er wisse weder von dem Schließfach noch von dem Inhalt noch von der Herkunft des Geldes. Kahrs, gegen den wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ermittelt wird, schweigt bislang zur Herkunft des Geldes.
Ursprünglich war der zweite Auftritt des Kanzlers als Abschluss des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses geplant. Durch das Bekanntwerden von Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft Köln, die wegen der „Cum-Ex“-Geschäfte der Warburg Bank ermittelt, und Presseberichten über bislang geheimgehaltene Protokolle einer Aussage von Scholz 2020 vor dem Finanzausschuss des Bundestages haben sich viele neue Fragen ergeben. CDU und Linke wollen Scholz noch ein drittes Mal vernehmen und den Untersuchungsauftrag des Ausschusses auch auf die „Cum-Ex“-Geschäfte der ehemaligen Landesbank HSH Nordbank ausweiten. Dann soll auch Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt, langjähriger Intimus von Kanzler Scholz, vorgeladen werden.
Quelle: dpa  Ende Längeres Zitat 

1. Nicht nur die Möglichkeit dieses himmelschreienden Vorgang an sich fordert Kritik heraus bzw. heischt Abhilfe. Es ist der ganze wunderliche politische Mechanismus, durch den Herrn Scholz deutscher Bundeskanzler geworden ist; es ist das ganze politische System der BRD, das diese Zustände möglich macht.
 
2. Kennen Sie den?
Sagt Tünnes: Ich finde, Scholz hat unserem Jemeinwesen mit seiner Hilfe für die Warburg-Bank einen schlechten Dienst erwiesen. Es wirft doch ein unvorteilhaftes Licht auf unser System, wenn die Politik raffjierigen Banken die Haut rettet.
Sagt Schäl: Das war keine politische Einflußnahme, nur ein kleiner privater Freundschaftsdienst.
Sagt Tünnes: Und was ist mit dem Schweijejeld, das man im Bankfach von Kahrs jefunden hat?
Sagt Schäl: Das ist kein Schweijejeld, sondern in einer Ausnahmesituation eine sehr ratsame Investition zur Stärkung des so wichtigen Zusammenhalts von Jeld und Politik.
Sagt Tünnes: Und was ist mit den Erinnerungslücken und Datenlöschungen?
Sagt Schäl: Die sind keine Jefahr für die Alljemeinheit. Scholz ist immun gegen die Beweisfindungsepidemie, kann also niemanden anstecken.
Sagt Tünnes: Wie hat er das denn jeschafft?
Sagt Schäl: Er hat sich einen Politiker-Impfstoff auf der Basis der IKMAM-Technologie spritzen lassen.
Sagt Tünnes: IKMAM?
Sagt Schäl: Ihr könnt mich alle mal.


Dienstag, der 23. August 2022
 
► "philomag.de"-Essay von Theresa Schouwink mit der Überschrift "Vom Animismus lernen" (Donnerstag, 17. März 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Der Animismus galt einst als Denkfehler primitiver Völker, deren Rationalität noch unzureichend entwickelt sei. Doch angesichts der ökologischen Krise zeigt sich heute: Der Animismus könnte den Weg aus der Verdinglichung der Natur weisen. Eine Spurensuche auf den Pfaden indigener Kulturen.
Große Krisen unserer Gegenwart – die Klimaerwärmung, das Artensterben – zeugen von einem massiven Problem in unserem Verhältnis zur Natur. Zugleich verbleiben fast alle gegenwärtigen Bewältigungsversuche dieses Problems innerhalb der Logik des westlichen kapitalistischen Weltbezugs: Anstatt das Wachstumsparadigma und den Konsumismus zu überdenken, werden „nachhaltige Energien“ als neuer Wirtschaftssektor gefördert oder Möglichkeiten des Geoengineering erprobt. Bei Lichte betrachtet werden solche Reparaturmaßnahmen wohl einigen ein ruhiges Gewissen und reichen Gewinn verschaffen, kaum aber das grundsätzliche Problem lösen. Man führe sich nur vor Augen, dass Elektroautos neben seltenen Erden offensichtlich Strom benötigen, bei dem auch bei jetzigem Bedarf unklar ist, wie er zuverlässig durch erneuerbare Energien gedeckt werden soll. Selbst Windkraftanlagen zaubern wiederum keineswegs Strom aus dem Nichts herbei, sondern töten Greifvögel und Insekten und lassen sich bisher nicht vollständig recyceln. Die ganze Idee eines „techno fix“ (Donna Haraway) verbleibt innerhalb einer Ontologie, für die „die Natur“ den Menschen als ausbeutbares Objekt unverbunden gegenübersteht.
Um die Selbstverständlichkeit dieses Weltbezugs zu durchbrechen, hilft es, sich mit Kulturen zu befassen, die einen grundlegend anderen Bezug zur Umwelt haben. Das trifft in besonderer Weise auf die animistischen Kosmologien indigener Völker zu, die der aufklärerischen Rationalität als minderwertig gelten. Als die Ethnologen im 19. Jahrhundert den Begriff Animismus einführen, um den Glauben an die Beseeltheit von Pflanzen, Tieren und Dingen zu bezeichnen, hat er eine diskriminierende Konnotation. Sie deuten den Animismus als Denkfehler, durch den das subjektive Innenleben in die Außenwelt „projiziert“ wird. Die „Primitiven“ hätten noch nicht gelernt, zwischen Ich und Nicht-Ich zu unterscheiden und deshalb blieben ihre Versuche, die Natur zu verstehen und zu kontrollieren, kläglich unbeholfen. Für die Europäer, so dachte man, sei die Beschäftigung mit dem Animismus insofern interessant, als sie einen Blick zurück in die eigene Vergangenheit, auf eine „niedrige Kulturstufe“ (Edward Tylor) ermögliche.
Auch heute noch verbinden viele mit dem Schlagwort „Animismus“ eine kognitive Schwäche, die im besten Fall von Rückständigkeit, Verschrobenheit oder esoterischer Verblendung, im schlechten Fall von einer Geisteskrankheit zeugt. Doch die Anthropologen und Philosophen sind mit solchen Wertungen inzwischen sehr viel vorsichtiger geworden. Trifft die Zuschreibung eines „primitiven Narzissmus“ (Freud) nicht eher auf westliche Kulturen zu, in denen Menschen davon ausgehen, die einzigen relevanten Akteure zu sein? Ist nicht spätestens seit Bekanntwerden der Klimaerwärmung unübersehbar, dass die Natur kein passives, beliebig manipulierbares Objekt ist? Tatsächlich hat die spätmoderne Theoriebildung die inspirierende Kraft animistischer Vorstellungen längst aufgegriffen: Bereits in den 1970er-Jahren haben James Lovelock und Lynn Margulis die Gaia-Hypothese aufgestellt: Die Erde sei ein Lebewesen, das sich selbst reguliert. Auch in der zeitgenössischen Philosophie und Soziologie nimmt die Auseinandersetzung mit dem Animismus zu.
Beseelte Natur
Anlass genug also, um die Vorstellungen indigener Völker genauer zu betrachten: Animistische Kosmologien gehen davon aus, dass auch Tiere, Pflanzen, Landschaftselemente und Artefakte beseelt sind: Sie sind Personen, haben Bewusstsein, Handlungsvermögen und kommunizieren. Entsprechend sind die Beziehungen zu den Nichtmenschen sozialer Natur. Eindrücklich schildert der französische Anthropologe Philippe Descola in Jenseits von Natur und Kultur diesen Weltzugang am Beispiel der Achuar, einer indigenen Gruppe im nördlichen Amazonastiefland von Peru und Ecuador. „Die Wollaffen, die Tukane, die Brüllaffen, alle Tiere, die wir töten, um zu essen, sind Personen wie wir. Auch der Jaguar ist eine Person, aber er ist ein einsamer Töter, er respektiert nichts. Wir, die ,vollständigen Personen‘, müssen diejenigen respektieren, die wir im Wald töten, denn sie sind für uns wie Heiratsverwandte. Sie leben unter sich mit ihrer eigenen Verwandtschaft; sie tun die Dinge nicht auf gut Glück; sie sprechen miteinander; sie lauschen dem, was wir sagen; sie heiraten einander, wie es sich gehört. Bei der Blutrache töten auch wir Heiratsverwandte, aber es sind immer Verwandte. Und auch sie können uns töten wollen. So wie die Wollaffen töten wir sie, um zu essen, aber es sind immer Verwandte.“ So erklärt ein Mitglied der Achuar.
Tiere und Pflanzen gehören für die Achuar keinem separaten ontologischen Bereich der Natur an, sondern sind auf einem Spektrum angeordnet: Diejenigen Arten, mit denen die Achuar für ihre Ernährung besonders viel Kontakt haben und von denen es heißt, dass sie dieselben Heiratsregeln befolgen (etwa die Geister des Flusses, die Wollaffen und die Erdnüsse), gelten als zivilisierter und stehen den Achuar näher. Die Frauen betrachten die Pflanzen des Gartens als blutsverwandte Kinder, die man „mit fester Hand zur Reifung bringen muss“. Die Männer wiederum sehen das Wild, das sie jagen, als verschwägert an – eine „instabile und schwierige Beziehung, die gegenseitigen Respekt und Umsicht erfordert“. Vor diesem Hintergrund wird auch ein Vorfall verständlich, bei dem ein Achuar-Mann sich große Vorwürfe macht, als er erfährt, dass seine Frau von einer Lanzenspitzenschlange gebissen wurde. Für ihn nämlich stellt der Schlangenbiss keinen unglücklichen Zufall, sondern einen Racheakt dafür dar, dass er am Vortag mit einer neu erworbenen Schusswaffe unnötig viele Wollaffen getötet und zum Teil schwer verletzt zurückgelassen hatte.
Fließende Grenzen zwischen den Spezies
Der brasilianische Anthropologe Eduardo Viveiros de Castro hat in Perspektiventausch. Die Verwandlung von Objekten zu Subjekten in indianischen Ontologien herausgearbeitet, dass die zentralen Annahmen der Kosmologien der am Amazonas angesiedelten indigenen Völker in der genauen Umkehrung des westlichen Weltbezugs bestehen. Während im Westen davon ausgegangen wird, dass wir uns von den Nichtmenschen durch unsere Kultur unterscheiden, jedoch einen materiell-biologischen Körper mit ihnen gemeinsam haben, sehen die Indigenen es umgekehrt: Die Nichtmenschen teilen mit den Menschen ihr Dasein als Kulturwesen, sie unterscheiden sich jedoch durch ihre Körper und die daran geknüpften Affekte und Sichtweisen auf die Welt. Aus Perspektive der Indigenen gilt: Für den Jaguar ist das Blut, das er leckt, Maniokbier; Fell und Federkleid der Tiere sind für diese Schmuck und Kleidung; das Alphatier nimmt die Rolle des Häuptlings ein. Alle Wesen sehen sich selbst und ihresgleichen als Menschen, erscheinen jedoch anderen Spezies – je nach Beziehung – in tierischer oder pflanzlicher Gestalt. So sind etwa die Menschen aus Sicht des Jaguars Beutetiere, aus Sicht der Wollaffen Raubtiere. Für die Geier wiederum sind die Maden im verwesenden Fleisch gegrillte Fische. De Castro bemerkt, dass offenbar Begriffe, die Spezies bezeichnen, für die Indigenen relationale Begriffe sind: So wie man in Bezug zu einer Person „Vater“ sein kann und zugleich in Bezug zu einer anderen „Bruder“, kann man hier offenbar der „Fisch“ von Geiern sein und zugleich die „Made“ von Menschen. Das widerspricht freilich zutiefst der westlichen essenzialistischen Ontologie, in der sich Arten durch bestimmte feststehende und notwendige Eigenschaften auszeichnen.
Die Verflüssigung der Grenzen zwischen den Spezies wird noch verstärkt durch die Möglichkeit der Grenzüberschreitung durch Verwandlung im Rahmen von schamanischen Ritualen. Im Schamanismus zeigt sich zudem ein Wissensideal, das dem unseren diametral entgegengesetzt ist: Während für uns, so fasst de Castro pointiert zusammen, Wissen Objektivierung beziehungsweise das Absehen von der subjektiven Perspektive bedeutet, erfordert Wissen für die Indigenen eine Subjektivierung: das Hineinversetzen in die Perspektive eines anderen Subjekts und die Erklärung eines Ereignisses durch die Handlungen eines Subjekts.
Der Animismus geht dabei keineswegs in bestimmten Vorstellungen auf, die sich in Mythen und schamanischen Ritualen niederschlagen. Er bestimmt das alltägliche praktische Weltverhältnis der Indigenen. Wenn Beziehungen zu Nichtmenschen sozialer Art sind, gelten für sie strenge moralische Normen. Insbesondere die Jagd und das Verzehren der Beute wird zu einer Angelegenheit höchster Sorgsamkeit. Denn, so spitzt de Castro zu, in einer Welt voller anderer Personen droht man stets unversehens zum Kannibalen zu werden. Dieser Gefahr versucht man durch eine Reihe von Speiseverboten sowie durch Rituale, die sicherstellen, dass sich die Seele des Tieres erneut inkarnieren kann, beizukommen. Zudem gilt es, so Descola, „Verschwendung zu vermeiden, sauber und ohne unnötige Leiden zu töten, die Knochen und den Balg würdevoll zu behandeln, Prahlerei zu unterlassen und sogar das der Beute bevorstehende Schicksal nicht allzu deutlich zu erwähnen.“ Descola zeigt, dass zahlreiche indigene Völker, nicht nur um den Amazonas, sondern etwa auch in Sibirien und Kanada, über verwandte animistische Kosmologien verfügen. Bei den Inuit und den Jägervölkern der Taiga ist es sogar üblich, als Ausgleichsleistung die Überreste der eigenen Verstorbenen den Wildtieren zum Fressen zu überlassen. Industrielle Massentierhaltung und -schlachtung ist im Kontext dieser umfassenden Sozialität und der Anerkennung gegenseitiger Abhängigkeit schlicht nicht vorstellbar.
Folgenreiche Hierarchien
In der westlichen Welt hat sich dagegen nach und nach die Vorstellung von „der Natur“ als einem abgetrennten ontologischen Bereich entwickelt, der Geist und Kultur gegenübersteht. Erste Ansätze finden sich schon bei Aristoteles, der eine Taxonomie der Lebewesen entwickelte, in der sämtliche Arten gemäß Gemeinsamkeiten und Unterschieden fest verortet und hierarchisiert sind. Zwar spricht er auch Pflanzen und Tieren eine Seele (bzw. ein Lebensprinzip) zu, aber diese ist gegenüber der menschlichen Seele defizitär, da ihr das Denkvermögen fehlt. Im Christentum wiederum gilt die natürliche Welt, die Schöpfung, zwar als wertvoll und bewahrenswert, doch erhält sie diesen Wert nur indirekt, insofern sie das Werk Gottes ist. Die Vorstellung von der menschlichen Sonderstellung wiederholt und verstärkt sich: Als „Ebenbild“ Gottes ist es dem Menschen aufgetragen, sich die „Erde untertan“ zu machen. In der Neuzeit schließlich bildet sich die Vorstellung von der Natur als einem Bereich lebloser Materie, der Kausalgesetzen folgt, heraus. Für Descartes steht ein immaterielles denkendes Subjekt der "res extensa" gegenüber. Für dieses Subjekt wird bereits die Existenz der Außenwelt zweifelhaft und noch zweifelhafter die Beseeltheit der Mitmenschen. Tiere werden von Descartes kurzerhand zu Automaten erklärt. Während der Animist, wie de Castro bemerkt, von der Vorstellung des Kannibalismus heimgesucht wird, droht dem Cartesianer der Solipsismus. In anderer Form besteht auch bei Kant die Gefahr des Verlusts einer lebendigen Beziehung zur Welt: Das transzendentale Subjekt konstituiert erkennend seine Welt, indem es alle Objekte rigoros in seine Formen der Anschauung und seine Verstandeskategorien einordnet. Von der wirklichen Beschaffenheit der Gegenstände, von den Dingen an sich, bleibt es durch einen unüberwindlichen Graben getrennt.
Der Bereich der Natur steht dem Menschen sodann nicht nur unverbunden gegenüber, es gilt auch, ihn möglichst vollständig zu kontrollieren. Die Emanzipation und Selbstermächtigung der Menschen werden wesentlich mit dem Projekt der Naturbeherrschung verbunden. Die Rationalität soll über die inneren, triebhaften Regungen sowie die äußeren Naturphänomene verfügen. Die Naturwissenschaften lösen als abergläubisch verfemte Vorstellungen auf und ermöglichen technischen Fortschritt. Kongenial dazu entwickelt sich der Kapitalismus, für den die Natur eine grenzenlos ausbeutbare Ressource darstellt. Fortan wird tendenziell alles zur Ware, die nicht in ihrer tatsächlichen Beschaffenheit und Lebensdienlichkeit, sondern in ihrem Tauschwert interessiert. Die Konsequenzen hat Georg Lukács unter dem Begriff „Verdinglichung“ gefasst – nicht zufällig ein Gegenbegriff zum Animismus. Wenn die menschliche Arbeitskraft von der „Gesamtpersönlichkeit“ abgespalten und zu Markte getragen wird, erscheint auch sie als verfügbare Sache. Während im Animismus Nichtmenschen als beseelt gelten, werden im Kapitalismus selbst Menschen zu seelenlosen Dingen.
Technologische Bescheidenheit
Das Projekt einer Emanzipation der Menschheit durch technologischen Fortschritt und endloses wirtschaftliches Wachstum auf Kosten der Natur offenbart sich heute als Sackgasse. Die Steigerungslogik scheitert an der Begrenztheit der Ressourcen und den „Nebenfolgen“ des Raubbaus an der Natur. Angesichts dessen drängt sich die Frage auf, inwiefern wir vom indigenen Animismus lernen können. Freilich nicht im Sinne eines einfachen Kopierens und schon gar nicht in der Form von New-Age-Esoterik. Zu suchen ist vielmehr nach Möglichkeiten der Übersetzung in unsere Kontexte. Hierfür ließen sich zunächst einige grundsätzliche Einsichten der animistischen Kosmologien aufgreifen: Erstens zeigt sich hier offensichtlich ein Weltbezug, der nicht von der Möglichkeit einer unbegrenzten technischen Verfügung über die Umwelt ausgeht. Die indigenen Völker denken nicht, dass sich mit dem richtigen technologischen Kniff die Erträge der Jagd und des Gartenbaus beliebig und ohne Folgeschäden steigern ließen. Vielmehr wird anerkannt, dass man sich in einem komplexen Gefüge gegenseitiger Abhängigkeiten befindet.
Zweitens lassen sich die animistischen Kosmologien nicht als abstraktes Projekt zum Schutz „der Natur“ oder „des Klimas“ verstehen. Indigene verstehen sich als konkret verortet, woraus sich bestimmte Verantwortlichkeiten ergeben. Sie folgen der Devise, die die Wissenschaftstheoretikerin Donna Haraway so formuliert: „Nichts ist mit allem verbunden, alles ist mit etwas verbunden.“
Drittens romantisieren die Indigenen die Natur nicht, sie hängen keiner Vorstellung einer „unschuldigen“ und idyllischen Natur an. Es wird zur eigenen Versorgung gejagt und zugleich davon ausgegangen, dass auch Menschen in den Augen anderer Beutetiere sein können. Der Biologe und Philosoph Andreas Weber hat herausgearbeitet, dass gerade die Hoffnung auf die Beseitigung des individuellen Todes im Westen nicht nur zu wünschenswerten Fortschritten in der Medizin, sondern auch zur Objektivierung und Ausbeutung der Natur geführt hat. Mit dem Ergebnis, dass Lebensräume zerstört wurden und das Weiterleben ganzer Arten bedroht oder bereits verunmöglicht ist. Von den Indigenen wird der Tod hingegen als unumgänglicher Bestandteil der ökologischen Kreisläufe und als Beginn neuen Lebens anerkannt.
Wege in die Zukunft
Können uns also die Lehren des Animismus einen Weg in eine bessere Zukunft weisen? Viele visionäre Denkerinnen und Denker sind davon überzeugt. Radikal muten die Ansätze von Donna Haraway an. In Unruhig bleiben: Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän plädiert sie dafür, die Vorstellung voneinander abgegrenzter, konkurrierender Individuen und Spezies aufzugeben. Stattdessen sollten wir uns als symbiotisch verflochtene „Kritter“ (der Begriff meint in etwa alles, was da kreucht und fleucht) verstehen, die rein gar nichts „von Natur aus“ können, sondern nur durch gegenseitige Befähigung. In Science-Fiction-Szenarien denkt sie darüber nach, dass wir künftig durch Kombination unseres Genmaterials mit dem einer tierischen Spezies zu deren besonderem Verständnis befähigt werden und zu Schutzpatronen dieser Art werden könnten. Nüchtern muten im Vergleich die Überlegungen Bruno Latours an: Ende der 1990er-Jahre entwarf er die Vision eines „Parlaments der Dinge“, durch das auch Nichtmenschen adäquat politisch vertreten und demokratisch einbezogen werden sollten.
Tatsächlich gibt es inzwischen immer wieder Vorstöße, Nichtmenschen als juristische Personen anzuerkennen: So der Fluss Vilcabamba in Ecuador und, nach jahrelangem Kampf der Maori, auch der Whanganui River in Neuseeland. Ihre Verschmutzung kommt seitdem rechtlich einer Körperverletzung gleich. Descola schließlich interessiert sich besonders für lokale Projekte, in denen Menschen selbstorganisiert neue Lebensformen entwickeln. Auf dem Gebiet von Notre-Dame-des-Landes sollte seit den 2000er-Jahren ein gigantischer Flughafen gebaut werden – doch die ansässigen Bauern verbündeten sich mit Aktivisten und leisteten jahrelangen Widerstand gegen das Projekt, das 2018 schließlich offiziell aufgegeben wurde. Einige der Aktivisten bauten sich Hütten und Baumhäuser auf dem Gebiet, eine selbstverwaltete Bäckerei und Brauerei entstanden. Es entwickelte sich eine Lebensform, die von bewusst gewählter Genügsamkeit und vor allem einer starken Identifikation mit dem dortigen Ökosystem geprägt ist. Das Gebiet weist heute eine außergewöhnliche Biodiversität auf. All diese Ansätze zeigen: Der Blick auf den Animismus offenbart heute keine kognitiv unterentwickelte archaische Vergangenheit mehr, sondern Splitter einer lebensfreundlicheren Zukunft.  Ende Längeres Zitat 
► "derstandard.de"-Interview von Jakob Pallinger mit Annette Kehnel (Historikerin an der Universität Mannheim) mit der Überschrift "Nachhaltigkeit /Historikerin: «Wir haben uns Menschen zu Göttern gemacht»" (Donnerstag, 04. August 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Über Jahrhunderte hinweg war Nachhaltigkeit selbstverständlich – auch weil sie Teil der Überlebensstrategie war. Kleidung wurde repariert, der Konsum bewusst beschränkt, Seen und Ozeane wurden gemeinschaftlich genutzt. Früher sei zwar längst nicht alles besser gewesen, doch gerade aus dem Mittelalter können wir viel lernen und damit vielleicht die Zerstörung unseres Planeten abwenden, sagt die Historikerin Annette Kehnel, die im Vorjahr das Buch "Wir konnten auch anders" veröffentlichte. Im Interview spricht sie darüber, warum unser Verständnis von Abfall noch relativ jung ist, welche Bedeutung Religion für die Nachhaltigkeit hat und was unsere Vorfahren wohl über unsere heutige Zeit denken würden.
STANDARD: Frau Kehnel, Sie haben kürzlich in einem Vortrag gesagt, unserer Zeit sei geprägt von einem "Vor uns die Steinzeit und nach mir die Sintflut"-Denken. Was meinen Sie damit?
Kehnel: Wir denken immer, dass die Leute, die vor uns gelebt haben, in total unmenschlichen, hinterwäldlerischen oder absolut unmodernen und unattraktiven Lebensformen gelebt hätten. Dabei vergessen wir, wie viel Vorerfahrung und Wissen diese Menschen mit der Bewältigung von Krisen hatten. Gleichzeitig ist uns oftmals egal, was nach uns passiert. Diese Kurzfristigkeit unseres Denkens ist ein Problem, das ich als Historikerin ein bisschen zurechtrücken will.
STANDARD: In Ihrem Buch "Wir konnten auch anders" schreiben Sie, dass wir viel vom Mittelalter über Nachhaltigkeit lernen können. Inwiefern? Vielen gilt die Zeit ja als eher düster und rückständig.
Kehnel: Es ist einer der großen Mythen, dass das Mittelalter finster, dreckig und abergläubisch war. Diese ganzen Missstände, die da in unseren Köpfen präsent sind, stammen eigentlich aus dem 19. Jahrhundert und waren Ergebnisse des ersten Höhepunkts der Moderne und der Industrialisierung. Im Mittelalter war der Umgang mit der Natur wesentlich direkter, weil die Menschen wussten, dass sie von der Natur abhängig sind. Das haben wir heute verlernt. Wir sind mit dem Lebensgefühl groß geworden, dass wir die Natur immer im Griff haben. Das beginnt bei den Schnecken im Garten und geht bei der Atomkraft und der Raumfahrt weiter. Diese Vorstellung hat uns leider in ein großes Dilemma gebracht. Denn langfristig sitzt die Natur am längeren Hebel. Falls es uns nicht gelingt, jetzt Überlebensstrategien für den Homo sapiens zu finden, dann wird es die Natur und den Planeten weiterhin geben – nur uns Menschen vielleicht nicht mehr. Im Mittelalter war dieses Bewusstsein einer wechselhaften, einvernehmlichen Beziehung mit der Natur präsenter. Man wusste, man kann die Natur nicht ungestraft langfristig überstrapazieren.
STANDARD: Was hat Nachhaltigkeit für die Menschen damals bedeutet? Den Begriff hat es zu dieser Zeit ja noch nicht einmal gegeben.
Kehnel: Der Begriff der Nachhaltigkeit wurde tatsächlich erst im 18. Jahrhundert beziehungsweise erst mit der Moderne und den Versuchen der Effizienzsteigerung erfunden. Im Mittelalter war Nachhaltigkeit kein "nice to have". Nachhaltigkeit war eine Überlebensstrategie. Es war im ureigensten Interesse eines Fischers am Bodensee, dass der See so befischt wird, dass seine Kinder und Enkel dann auch noch was zu fischen haben. Letztlich ist das ein Interesse, was wir alle haben. Nur haben wir das irgendwie verdrängt, weil wir davon ausgegangen sind, dass es der technische Fortschritt schon für uns klären wird. Ich habe ein großes Vertrauen in die Technologie und bin sicher, wenn wir wirklich alle unsere Fähigkeiten und unsere Energie reinstecken, wäre es in der Tat eine sehr große Chance, dass wir den Klimawandel unter zwei Grad halten können. Aber wenn wir weiterhin unsere Energie in die Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors und von teuren und immer größeren Autos statt in alternative Energien stecken, dann sehe ich es problematisch.
STANDARD: Viele würden jetzt sagen: Die Leute mögen damals vielleicht weniger Ressourcen verbraucht haben, aber dafür waren sie ja auch um ein Vielfaches ärmer.
Kehnel: Ja, sie hatten keine Handys, weniger Kleider, weniger Möbel, weniger Komfort. Von dem her waren sie ärmer. Wie viele Dinge besitzt ein Mensch im Westen heute im Durchschnitt? Ich habe mal was gehört von 7.000 Dingen, was mir sehr wenig vorkommt. Im Mittelalter besaß selbst ein König keine 7.000 Gegenstände. Gleichzeitig kann man aber auch sagen, dass diese Fülle, mit der wir uns umgeben, total belastend ist. Gerade junge Menschen finden heute ein Leben mit "Weniger ist mehr" ganz befreiend. Ich kann jetzt nicht behaupten, dass die Menschen im Mittelalter diese Freiheit so gesucht oder genossen haben. Aber ich würde infrage stellen, ob sie darunter gelitten haben. Das Leben war eben anders. Aber war es deswegen deprimiert, viel ärmer und weniger lebenswert? Die Lebensarbeitszeit ist ein schönes Beispiel: Wir denken immer alle, die haben den ganzen Tag nur geschuftet, saßen dann abends ohne Licht und ohne Fernseher, Kultur und Theater in ihren dunklen Höhlen, haben sich von Flöhen beißen lassen und mussten dann morgens wieder schuften. Dabei gibt es Erhebungen von öffentlichen Baustellen im Mittelalter, anhand derer man sehen kann, dass die Menschen damals wahrscheinlich eine 37-Stunden-Woche hatten. Erst im 18. und 19. Jahrhundert kamen dann Wochenarbeitszeiten von bis zu 50 Stunden.
STANDARD: In Ihrem Buch schreiben Sie auch, dass Recycling damals eine große Rolle gespielt hat. Inwiefern?
Kehnel: Recycling war der Goldstandard des Wirtschaftens. Unsere Vorfahren haben die Ressourcen viel intelligenter genutzt. Einerseits war das natürlich eine Überlebensstrategie. Andererseits gab es aber auch die Freude an der Wieder- und Weiterverwertung und dem Erneuern des Alten. Unsere heutige Sucht nach immer Neuem und die damit verbundene, wirklich oft hirnlose Verschleuderung von Ressourcen ist ziemlich bemerkenswert. Wir haben es geschafft, innerhalb von nur einem Jahrhundert den Planeten total zu vermüllen. Das hat noch keine Generation vor uns geschafft. Auf diese Fähigkeit brauchen wir wirklich nicht stolz zu sein.
STANDARD: Sind wir heute verschwenderisch, weil wir es uns eben "leisten" können? Wo beispielsweise durch meinen Konsum Müll anfällt, hat für mich als Einzelner oft kaum negative Auswirkungen.
Kehnel: Wir haben die Chance oder das zwiespältige Privileg, dass wir den Müll nach Indonesien transportieren und ihn dort ins Meer kippen können. Wir können die Folgeprobleme von uns wegschieben. Wir haben in der Nachkriegszeit, also in Zeiten des Wirtschaftswunders, diese ganzen Praktiken der Wiederverwertung verlernt. Weil die Märkte mit billigem Öl überschwemmt wurden und Plastik und andere Produkte, die mit dieser Energie produziert wurden, nichts mehr wert waren. Wir haben Schinken in Plastik eingepackt und ihn vier Wochen oder vier Monate in irgendwelchen Regalen vergammeln lassen. Das hätte man früher nicht gemacht, für den Genuss eines Produkts Verpackungen zu produzieren, die tausende Jahre den Planeten belasten. Das ist schon sehr gedankenlos.
STANDARD: Der Begriff "Abfall" tauchte in seiner heutigen Bedeutung erst im 20. Jahrhundert in den Wörterbüchern auf, schreiben Sie. Weil es davor keinen Abfall gab?
Kehnel: Es gab natürlich schon immer Abfall. Mittelalterliche Abfallgruben gibt es zuhauf, und da findet man alles Mögliche, von kaputtem Geschirr, altem Schmuck bis hin zu Essensresten. Interessant ist, dass Abfall im Sinne von "nichtwiederverwertbarem Rest" in den Wörterbüchern des 18. Jahrhunderts gar nicht auftaucht. Da wird Abfall immer im Zusammenhang mit etwas, was wiederzuverwerten ist, definiert. Und erst Mitte des 20. Jahrhunderts wird dann dieser nichtwiederverwertbare Rest, der entweder in Privathaushalten oder bei der Produktion anfällt, mitaufgenommen. Dabei hat das meiste von dem, was wir heute Abfall nennen, einen Wert, auf den wir als Gesellschaft nicht verzichten sollten.
STANDARD: Wichtig war auch, wie sich Menschen damals die sogenannten Commons teilten – also Ressourcen, die allen gehören und von allen genutzt werden, wie etwa Ozeane, Seen oder Wälder. Wie gelang das?
Kehnel: Ein gutes Beispiel aus dem Mittelalter ist der Bodensee. Der See war schon immer ein internationales Gewässer und nie privatisiert, mit Österreich, der Schweiz und Deutschland als Anrainer. Die Bodensee-Fischer haben sich einmal im Jahr auf den sogenannten Fischertagen getroffen und gemeinsam die Regeln des Fischens für das nächste Jahr vereinbart. Wenn es weniger Fische gab, haben sie die Maschengröße erweitert, damit weniger Fische ins Netz gingen und die Fische laichen konnten. Sie haben auf kurzfristige Erträge zugunsten zukünftiger Erträge verzichtet. Diese Regel wurde in den sogenannten Fischerei-Ordnungen festgehalten, und da mussten sich alle daran halten. Jene, die es nicht taten, mussten mit Sanktionen, Strafgeld und – wenn es ganz schlimm kam – mit einem Ausschluss aus der Fischergemeinschaft rechnen. Aus dieser Geschichte könne wir auch etwas für die heutige Zeit lernen. Nicht in dem Sinne, dass man jetzt alles wieder nachmacht, sondern dass man sich Ideen, aber auch Mut holt und sagt: "Okay, das könnten wir in der heutigen Zeit vielleicht in dem und dem Bereich zumindest wagen oder weiterführen."
STANDARD: Statt kleiner Gemeinschaften leben heute aber auch wesentlich mehr Menschen auf diesem Planeten. Lassen sich solche Konzepte angesichts der derzeitigen Bevölkerungszahl und globalen Vernetzung überhaupt noch umsetzen?
Kehnel: Das ist die große Frage. Damals waren es lokale Gemeinschaften, die zusammenhingen. Heute haben wir eine globalisierte Welt, in der der Flügelschlag eines Schmetterlings in Wien oder hier in Cambridge möglicherweise Auswirkungen auf der ganzen Welt hat, von denen wir gar nichts wissen können. Ich denke, wir haben einfach keine andere Wahl, als dass wir versuchen, das zu probieren, was in unseren Handlungsspielräumen möglich ist. Ansätze für eine Gemeinwohlwirtschaft, wie sie in Österreich ja weit vorangetrieben werden, machen Mut. Man merkt, dass die Menschen auch Nachhaltigkeit wollen. Die ganze Debatte dreht sich ganz oft um Verzicht und wie viel wir bereit sind hinzunehmen für weniger Lebensqualität. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall: Menschen, die sich in Gemeinwohlwirtschaftsprojekten organisieren, merken, dass sie in Sachen Lebenszeit, Beziehungen und Sinnstiftung ganz viel gewinnen.
STANDARD: Viele Konzepte, die wir heute kennen, wie etwa Sharing Economy, Secondhand, Urban Gardening, Minimalismus, veganer Lifestyle, Crowdfunding oder Mikrokredite habe es Ihrer Ansicht nach damals schon gegeben. Was hatte es etwa mit dem Minimalismus von damals auf sich?
Kehnel: Mich hat selbst überrascht, dass es diesen Ruf nach "Weniger ist mehr" bereits mindestens seit der Antike gibt. Diogenes von Sinope war einer der frühesten oder lautesten Vertreter, der im Fass lebte, auf dem Marktplatz von Athen predigte und in seiner Bedürfnislosigkeit die höchste Form der Freiheit sah. Oder Franz von Assisi, der sagte, nichts besitzen zu müssen sei die größte Form der Freiheit, und der mit den Tieren, den Bäumen und der Natur im Gespräch sein wollte. Das ist etwas, das uns bis heute sehr fasziniert.
STANDARD: Eine große Rolle bei der Nachhaltigkeit spielte Ihrer Ansicht nach auch die Religion, etwa wenn es um den Umgang mit zukünftigen Generation ging. Inwiefern?
Kehnel: Religiöse Systeme wurden von Gesellschaften entwickelt, um das Miteinander auch generationenübergreifend zu regeln. Ein Beispiel ist die Erfindung des Fegefeuers. Die Idee ist die: Ich kann nach meinem Tod im Fegefeuer für Sünden büßen, aber meine Kinder und Enkel können mich davon freikaufen, wenn sie Ablassbriefe kaufen. Wenn ich also weiß, dass ich gewissermaßen nach dem Tod von meinen Kindern oder Enkeln abhängig bin, dann verhalte ich mich zu Lebzeiten so, dass sie mich in guter Erinnerung behalten. Für Jair Bolsonaro in Brasilien etwa würde kein junger Brasilianer je einen Ablassbriefe kaufen, weil er durch die Abholzung der Regenwälder die Lebensgrundlage von uns allen zerstört.
Das Fegefeuer war eine coole Idee. Die Frage ist: Schaffen wir es künftig auch ohne Fegefeuer? Immerhin haben wir uns heute aus gutem Grund aus den Fesseln der Religion befreit. Aber wir müssen jetzt neue kulturelle Umgangsformen, Handlungsmuster oder Praktiken entdecken oder erfinden, die dafür sorgen, dass wir uns so verhalten, dass auch die Menschen, die nach uns kommen, eine gesunde Welt haben. Manche behaupten sogar, wir bräuchten neue Religionen. Ich bin mir da nicht so sicher. Vielleicht ist es auch ein Missverständnis: Dass das, was wir Religion genannt haben, lange Zeit vielleicht nur eine Form der kulturellen Regelung war, die das Bewusstsein dafür schult, dass es außer uns Menschen vielleicht noch etwas Größeres und Wichtigeres gibt. Und dieses Bewusstsein haben wir heute ein bisschen verloren. Wir haben uns Menschen zu Göttern gemacht.
STANDARD: Auch im Mittelalter zerstörten Menschen die Natur – etwa im Zuge der großen Waldrodungen zwischen dem 8. und 12. Jahrhundert. Existierten Naturschutz und Plünderung nicht immer schon nebeneinander?
Kehnel: Wir können beides: Die Natur plündern und nachhaltig mit ihr umgehen. Das Problem ist, dass diese Ausbeutung der Ressourcen, die unsere Vorfahren ja auch unternommen haben, ganz oft als implizite Begründung dafür herhalten musste, dass wir als Menschen gar nicht anders können, als Wälder abzuholzen, Ökosysteme zu zerstören und große Säuger auszurotten. Wir haben dabei ganz vergessen, dass wir auch mit der Natur leben können. Es sind vor allem Krisensituationen, Kriege, Kolonialisierung, Expansions- und Machtbestrebungen, die für die Höhepunkte der Ausbeutung von Mensch und Natur sorgen.
STANDARD: Noch ein Gedankenexperiment, das Sie auch in Ihrem Buch wagen: Was würden unsere Vorfahren empfinden, wenn es sie per Zeitreise plötzlich in die Gegenwart verschlüge?
Kehnel: Sie würden sich sicherlich wundern über all den Komfort, den wir erreicht haben. Sie würden staunen, dass wir heute Menschen ins All schicken, aber auch über unsere gemütlichen Wohnzimmer, unsere tollen Badewannen und die Möglichkeit, jetzt von Cambridge nach Wien Gespräche zu führen. Gleichzeitig würden sie sich über die Resignation, die herrscht, wundern. Sie würden sagen: "Wenn ihr alles erreicht habt, warum seid ihr jetzt so resigniert? Warum nutzt ihr nicht all die Technologie und Mittel und setzt alles daran, diesen Planeten menschenfreundlich zu halten? Warum tut ihr euch so schwer mit Veränderungen? Macht es doch einfach anders, wenn es so nicht mehr geht. Wo ist das Problem?" Ich glaube, die Menschen von damals würden uns wieder Mut machen.  Ende Längeres Zitat 
► "welt.de"-Artikel mit der Überschrift "Documenta / «Kühnste Albträume übertroffen» – Josef Schuster wirft Roth Wortbruch vor" (Donnerstag, 11. August 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Der Antisemitismus auf der Documenta hat die „kühnsten Albträume“ von Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, übertroffen. Das erklärte er in einem Interview, in dem er auch schwere Vorwürfe gegen Claudia Roth erhob, die Zusicherungen nicht eingehalten habe.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, richtet wegen der antisemitischen Kunstwerke auf der Documenta Fifteen schwere Vorwürfe gegen maßgebliche Politikerinnen und Politiker. Entgegen einer Zusicherung von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) in einem Gespräch im Mai seien bei der Kasseler Kunstausstellung eindeutig antisemitische Bilder aufgetaucht. Roth räumte ein: „Vielleicht hätte ich bei den Diskussionen im Vorfeld der Documenta-Eröffnung lauter und deutlicher sein sollen, sein müssen.“
Zentralratspräsident Schuster sagte dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“, der Antisemitismus bei der Kunstausstellung habe seine „kühnsten Albträume übertroffen“. Vielleicht sei Roth „zu blauäugig“ gewesen und „hintergangen worden“. Allerdings hätten auch die hessische Kunstministerin Angela Dorn (Grüne) und Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) die Warnungen zunächst entweder „abgetan“ oder „überhaupt nichts verstanden“ und der Stadt damit „letztlich einen Bärendienst erwiesen“.
Roth selbst wiederum sagte dem Magazin „Stern“: „Die Ausstellung solcher eindeutig antisemitischen Werke hätte nicht passieren dürfen.“ Die Aufklärung, wie es dazu kommen konnte, stehe noch aus. Auch wenn sie keine unmittelbare Verantwortung trage, sei ihr bewusst, „dass es nicht reicht, wenn ich sage: Ich konnte nicht mehr tun.“
Die diesjährige Documenta wird seit der Vorbereitungsphase von Antisemitismus-Vorwürfen überschattet. Kurz nach Eröffnung der Ausstellung Mitte Juni wurde das Banner „People‘s Justice“ des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi wegen antisemitischer Motive abgehängt. Später wurden Zeichnungen des syrischen Künstlers Burhan Karkoutly mit antisemitischer Bildsprache bekannt. Die Generaldirektorin der Kunstschau, Sabine Schormann, wurde abberufen und ein Expertenrat eingesetzt.
Schuster: Haben bereits im Frühjahr Sorge geäußert
Schuster sagte: „Wir haben bereits im Frühjahr im Hinblick auf das Künstlerkollektiv Ruangrupa, das die Documenta kuratiert, die Sorge geäußert, dass es zu Israel-bezogenem Antisemitismus kommen könnte.“ Was ihn am meisten erschrecke und erschüttere, sei, dass Bilder nun wieder ausgestellt würden mit der Begründung, sie seien juristisch nicht angreifbar. „Denn es hat doch kein Mensch gesagt, dass dieser Antisemitismus strafrechtlich relevant ist. Aber Antisemitismus beginnt eben deutlich unter dieser Grenze“, sagte der Zentralratspräsident.
Roth wies die Argumentation zurück, dass die Werke aus dem kulturellen Kontext der jeweiligen Künstlerinnen und Künstler zu betrachten seien. „Dass Antisemitismus in Indonesien etwas anderes sei als hier in Deutschland. Das ist wirklich Unsinn“, sagte die Grünen-Politikerin und fügte hinzu: „Antisemitismus ist und bleibt Antisemitismus, ob in Indonesien, in der Türkei oder sonst wo.“  Ende Längeres Zitat 
► "welt.de"-Artikel von Alan Posener mit der Überschrift "BDS-Bewegung / Hinter der Verkitschung der Palästinenser steckt ein perfider Trick" (Donnerstag, 11. August 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Israel-Hasser wie die BDS-Bewegung inszenieren das Leben in Gaza oder dem Westjordanland gerne als ländliche Idylle mit Olivenhainen und Kamelen. So soll eine besondere Verwurzelung der Palästinenser in der Region suggeriert werden. Mit einem antisemitischen Hintergedanken.
Die Blut-und-Boden-Ideologie postuliert laut Wikipedia „die Einheit eines rassisch definierten Volkskörpers mit seinem Siedlungsgebiet“. Bäuerliche Lebensformen „werden dabei nicht nur idealisiert und als Gegengewicht zur Urbanität gesetzt, sondern auch mit rassistischen und antisemitischen Ideen verknüpft …“
Ähnliche Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich auf der Homepage der BDS-Bewegung Deutschland den Beitrag zum „Tag des Bodens“ las. An diesem Tag „betonen die Palästinenser*innen ihre Verwurzelung mit ihrem Land und prangern dessen brutale Übernahme durch den israelischen Staat, seine Siedlungen und halbstaatlichen Institutionen an“, heißt es dort.
„Die Verweigerung des Existenzrechts auf dem Land, mit dem wir verwurzelt sind, ist eine Erfahrung, die wir mit indigenen Völkern und ländlichen Gemeinschaften auf der ganzen Welt teilen.“
Das plötzliche „Wir“ ist merkwürdig, da der – nicht gezeichnete – Beitrag von BDS Deutschland stammt. Vielleicht muss man hier von einer Freud’schen Fehlleistung reden: Deutsche identifizieren sich mit angeblichen Opfern der Juden. Aber darum geht es mir nicht.
Es geht um die Identifikation der Palästinenser mit „indigenen Völkern und ländlichen Gemeinschaften“, die nicht zufällig auch von den Verantwortlichen der Documenta 15 idealisiert werden.
Bilder aus Palästina sollen die Assoziation zementieren: Olivenhaine, Kamele und Bauern sieht man da, oft malerisch in Pose gesetzt vor israelischen Betonmauern. Die Wirklichkeit in der Westbank und Gaza sieht anders aus.
77,3 Prozent der Palästinenser leben in Städten. Das Land ist zu 100 Prozent elektrifiziert. Die Landwirtschaft trägt nur 2,9 Prozent zum Bruttosozialprodukt (BSP) bei, die Industrie 19,5, Dienstleistungen 77,6 Prozent.
Das ist mit Deutschland vergleichbar, wo Dienstleistungen 69 Prozent, das produzierende Gewerbe 23,5 Prozent, Land-, Forstwirtschaft und Fischerei ganze 0,9 Prozent beitragen. Palästinensische Kinder gehen in der Regel 13 Jahre zur Schule, sprechen Englisch, haben Smartphones, benutzen das Internet und empfängnisverhütende Mittel.
Ja, es gibt riesige Probleme – die Arbeitslosigkeit vor allem, aber auch die Korruption, das Fehlen politischer Freiheiten, die Abhängigkeit vom israelischen Markt und der ständige Affront gegen den arabischen Nationalstolz, den die Besatzung darstellt. Aber Palästina hat gar nichts mit „indigenen Völkern und bäuerlichen Gemeinschaften“ zu tun.
Die angebliche „Verwurzelung“ mit dem Boden, der ganze Kamele-und-Olivenhaine-Kitsch, soll nur, wie „der Tag des Bodens“ die „Einheit des rassisch definierten Volkskörpers“ – der Araber – mit dem ganzen früheren britischen Mandatsgebiet Palästina betonen und die Juden als wurzellose Fremdlinge erscheinen lassen.
Natürlich ist es nicht so, dass Arabern „das Existenzrecht verweigert“ wird. Das kann man ruhig als Projektion abtun. Denn es ist die BDS-Bewegung, die dem jüdischen Staat das Existenzrecht abspricht. Das ist so mit Blut und Boden: Die Ideologie ist immer antisemitisch.  Ende Längeres Zitat 
► "welt.de"-Artikel von Christine Kensche mit der Überschrift "Olympia-Attentat / «50 Jahre Schmähung durch die deutsche Regierung sind genug»" (Freitag, 12. August 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Die Opferfamilien des Münchner Olympia-Attentats haben ihre Teilnahme an der Gedenkfeier in Bayern endgültig abgesagt. Auch der israelische Staatspräsident könnte der Veranstaltung nun fernbleiben. Die Angebote der Bundesregierung empfinden die Angehörigen als „Beleidigung“.
Die geplante Gedenkfeier zum 50. Jahrestag des Münchner Olympia-Attentats am 5. September entwickelt sich zu einem seltenen Skandal in den deutsch-israelischen Beziehungen. Die Familien der elf israelischen Sportler, die von palästinensischen Terroristen ermordet wurden, haben ihre Teilnahme an der Großveranstaltung in München endgültig abgesagt.
In einem Brief an den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), der WELT vorliegt, schreiben sie: „50 Jahre Schmähung, Lügen, Erniedrigung und Abweisung durch die deutsche Regierung und insbesondere die bayerischen Behörden sind mehr als genug für uns.“
Die Bundesregierung befürchtet nun, dass auch der israelische Staatspräsident Jitzchak Herzog die Einladung nach München ausschlagen wird. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) steht dazu in engem Kontakt mit seinem israelischen Amtskollegen.
Ankie Spitzer, Witwe des ermordeten israelischen Fechttrainers André Spitzer und Sprecherin der Angehörigen, sagte WELT: „Der Präsident hat uns zugesichert, dass er nicht nach München fahren wird, wenn wir nicht kommen.“ Das Büro von Jitzchak Herzog habe ihnen das am Donnerstagabend noch einmal bestätigt: „Herzog hält zu den Familien und wird nicht zu der Gedenkfeier in München am 5. September reisen“, habe ihnen sein persönlicher Assistent versichert, so Spitzer.
Der Sprecher des israelischen Präsidenten erklärte auf Anfrage, dass man den Vorgang zu diesem Zeitpunkt nicht kommentieren wolle.„Es ist wichtig, dass der Präsident nicht nach München fährt und diese viel zu spät kommende Gedenkfeier dadurch legitimiert“, sagt Spitzer. Die Vertreterin der Hinterbliebenen wirft der deutschen Regierung vor, mit der Zeremonie in München das „nationale Gewissen“ beruhigen zu wollen.
Jahrzehntelanger Streit um Aufklärung und Entschädigung
In einem Brief des Innenministeriums an die Opferfamilien vom 11. August, der WELT vorliegt, heißt es, die Bundesregierung habe entschieden, den Anschlag „nunmehr umfassend aufzuarbeiten“. Dabei sollten offene Fragen beantwortet, „mögliche Lücken in der Aufarbeitung“ geschlossen und so „der Ausgangspunkt einer neuen, lebendigen Erinnerungskultur geschaffen werden“.
Für die elf Familien, denen bis in jüngster Zeit Informationen zum Tod ihrer Angehörigen vorenthalten wurden, und die lange darum kämpfen mussten, dass ein Denkmal und eine Gedenkminute für die Olympia-Opfer genehmigt wurden, klinge das wie Hohn, sagt Spitzer. Zumal ihre Forderung nach einer gerechten finanziellen Kompensation noch immer nicht erfüllt werde.
Hintergrund der Auseinandersetzung ist ein jahrzehntelanger Streit zwischen den Opferfamilien und der deutschen Bundesregierung um Aufklärung und Entschädigung. Nach dem Attentat 1972 verweigerten die deutschen Behörden den Familien Zugang zu Akten und detaillierteren Informationen zu den genauen Todesumständen ihrer Verwandten.
Der damalige Innenminister Hans-Dietrich Genscher habe ihr weismachen wollen, dass es keine Akten zu dem Anschlag gebe, sagt Spitzer. Vom früheren Münchner Polizeipräsidenten Manfred Schreiber habe sie sich anhören müssen, dass die Israelis „Terror auf deutschen Boden“ gebracht hätten.
Keine Entschuldigung deutscher Politiker
In den vergangenen Jahren wurden nach und nach ein Großteil der Akten entsperrt. Nach Einschätzung von Historikern hat eine Reihe von Fehlern der deutschen Sicherheitsbehörden dazu geführt, dass die versuchte Befreiung der Geiseln auf dem Flugplatz Fürstenfeldbruck am 6. September in einer Schießerei endete, bei der die bis dahin überlebenden neun israelischen Geiseln, ein deutscher Polizist und fünf der acht arabischen Geiselnehmer ums Leben kamen.
Das damalige Angebot der israelischen Regierung, ein Spezialteam zur Geiselbefreiung nach München zu schicken, hatte Deutschland abgelehnt. Danach waren die beteiligten Sicherheitskräfte und Politiker bemüht, ihre Fehlentscheidungen zu decken. Bis heute hat kein deutscher Politiker Verantwortung für die gescheiterte Geiselbefreiung übernommen und sich bei den Hinterbliebenen entschuldigt.
Das wollte Bundespräsident Steinmeier nun am 50. Jahrestag übernehmen. Auch der Forderung der Angehörigen, die Geschehnisse von einer deutsch-israelischen Historikerkommission aufarbeiten zu lassen, will die Bundesregierung nachkommen. Doch in dem Streit um finanzielle Entschädigung gibt es keine Einigung. Dazu liefen „vertrauensvolle Gespräche mit Vertretern der Opferfamilien“ hieß es zuletzt aus dem zuständigen Innenministerium.
In dem Brief vom 11. August bieten die Bundesregierung, der Freistaat Bayern und die Stadt München den Familien „weitere Anerkennungsleistungen“ von 5,4 Millionen Euro an. Man orientiere sich dabei an einer Größenordnung von insgesamt zehn Millionen Euro, von denen bereits geleistete Zahlungen in Höhe von 4,6 Millionen Euro abgezogen würden. Eine erste Zahlung 1972 war über den Umweg des Deutschen Roten Kreuzes geleistet worden, offenbar, um den Eindruck eines Schuldeingeständnisses zu vermeiden.
Familien erwarten Entschädigung nach internationalen Standards
Sie empfänden das Angebot der deutschen Regierung als „Beleidigung“, schreiben die Angehörigen in der Begründung ihrer Absage der Teilnahme an der geplanten Gedenkfeier. Mehr als die Hälfte des bereits gezahlten Geldes habe man in jahrelangen Rechtsstreits für Anwälte und deutsche Gerichte zahlen müssen.
Es ist die emotionale Verbitterung der Angehörigen über ihre lange schäbige Behandlung durch die deutschen Vorgängerregierungen, die für die jetzige Koalition, die deutlich mehr tun will, zum Problem wird. Das Argument, das zehn Millionen Euro Entschädigung deutschen Standards entsprächen; Verweise auf ähnliche Zahlungen für die Opfer des rechtsterroristischen Anschlags von Hanau oder der islamistischen Terrorattacke auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche, lassen die israelischen Familien nicht gelten.
An diesen Vorfällen trage die deutsche Regierung keine direkte Schuld, sagt Ankie Spitzer. Anders als in München, wo das Versagen der deutschen Sicherheitsbehörden erheblich zum tödlichen Ausgang der Geiselnahme beitrug. Sie erwarteten eine Entschädigung nach internationalen Standards wie etwa bei dem Lockerbie-Anschlag 1988 oder dem Attentat auf die West-Berliner „La Belle“-Diskothek 1986, bei denen jeweils mehrere Millionen US-Dollar Entschädigung pro Opfer flossen.
Für die insgesamt 34 Familienangehörigen ginge es dabei nicht ums Geld selbst, sondern um Gerechtigkeit, betont Spitzer. Selbst den drei überlebenden palästinensischen Terroristen von München, die Ende 1972 mit einer Flugzeugentführung freigepresst wurden, habe die deutsche Regierung mehr gezahlt – neun Millionen US-Dollar. Und letztlich spielt wohl der Eindruck der Opferfamilien, dass sich Deutschland keinen Meter weiter auf sie zubewegt, als unbedingt notwendig, und hauptsächlich daran interessiert ist, die Münchner Gedenkfeier zu retten, eine entscheidende Rolle für ihre Absage.  Ende Längeres Zitat 
► "welt.de"-Artikel mit der Überschrift "Palästinenserpräsident in Berlin / Abbas relativiert bei Auftritt mit Scholz erneut Holocaust" (Dienstag, 16. August 2022):
 Anfang Längeres Zitat  Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kanzler Olaf Scholz in Berlin hat Palästinenserpräsident Mahmud Abbas schwere Vorwürfe gegen Israel erhoben. Scholz lehnt die Anerkennung eines Palästinenserstaats ab – schweigt aber lange zu Abbas‘ skandalösen Aussagen.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas wirft dem Staat Israel vor, schwere Menschenrechtsverbrechen an der palästinensischen Bevölkerung begangen zu haben. Abbas ist derzeit zu Gast in Berlin, wo er am Dienstag nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine gemeinsame Pressekonferenz abhielt.
Von einem Journalisten war Abbas gefragt worden, ob er sich als Präsident im Namen der Palästinenser bei Israel und Deutschland für den Anschlag palästinensischer Attentäter auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen 1972 in München entschuldigen wolle und bei der vollständigen Aufklärung behilflich sein werde. Bei dem Attentat starben elf Israelis, ein deutscher Polizist und fünf der Attentäter.
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